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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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unterhalten, die so sehr an ihren Fähigkeiten zu zweifeln schien. Dabei hatte sie alles richtig gemacht. Der Junge war perfekt versorgt. Mehr konnte man im Moment nicht tun. Jetzt konnte man nur noch warten.
    Garrett war ausschließlich deshalb hierher gefahren, weil Nathan ihn darum gebeten hatte. Der Anwalt hatte ihm von dem Unfall erzählt, den er verursacht hatte, aber der Arzt glaubte ihm kein Wort. Nathan hatte besonders darauf bestanden, dass sich Garrett hierher begab, um sich davon zu überzeugen, dass der Junge die bestmögliche Behandlung bekam, und weil er Garretts medizinisches Urteil ohne Fachchinesisch hören wollte. Er hatte nichts hinzugefügt, doch Goodrich wusste ganz genau, was der eigentliche Sinn seines Besuches war: Nathan wollte wissen, ob das Leben von Ben Greenfield in Gefahr war.
    Garrett wandte den Kopf zur Glastür, um sicherzugehen, dass niemand ihn beobachtete. Er löschte das Nachtlicht über dem Bett. Zu seiner großen Erleichterung nahm er keinen Lichtkreis über dem Kopf des Kindes wahr.
    Ben würde vielleicht nicht in den nächsten zehn Minuten aufwachen, aber er würde auf keinen Fall sterben.
    Garrett entschied, noch etwas zu versuchen. Etwas, das er nur selten wagte.
    Behutsam näherte er seine Hände Bens Gesicht… Er hatte diese Fähigkeit Nathan gegenüber nie erwähnt. Es war eine merkwürdige Geschichte, keine echte Macht, auch keine Gabe, vielleicht eher eine zusätzliche Fähigkeit, die die Boten mit der Zeit erwerben können. Es war etwas, das tatsächlich schwer zu definieren war. Eine kleine Tür, die sich für einen kurzen Moment in seinem Geist öffnete, eine Art Lichtstrahl, so plötzlich und so schnell wie ein Blitz. Manchmal tat es sogar ein bisschen weh, als ob seinem Körper für einen Augenblick jegliche Energie entzogen worden wäre, dabei dauerte es weniger als eine Sekunde. Einen Augenblick später war alles wieder ganz normal. Aber damit es funktionierte, war ein Kontakt nötig.
    Goodrichs Hände waren nur noch Millimeter von Bens Gesicht entfernt.
    Lange Zeit war er sich dieser Fähigkeit nicht bewusst gewesen. Und auch heute noch klappte es nicht jedes Mal. Aber manchmal konnte er »hindurchsehen«, manchmal gelang es ihm, die Tür aufzumachen und zu wissen, was kommen würde. Er wusste es, jenseits aller vernünftigen Überlegungen. Wie eine Art Vorgefühl.
    Garrett berührte mit den Fingerspitzen die Stirn des Kindes, und ein Bild erschien vor seinem inneren Auge: das Bild von Ben Greenfield, der im Alter von ungefähr zwanzig gerade mit dem Fallschirm abspringt.
    Diese Vision war nicht von Dauer, und Garrett wurde sofort wieder aus dem Universum der Vorsehung ausgeschlossen.
    Da er ein wenig schwitzte, setzte er sich neben das Kind, um wieder Kräfte zu sammeln, dann knöpfte er seinen Mantel zu und verließ das Krankenhaus.
    Unter welchen Umständen würde Ben Greenfield im Alter von zwanzig Jahren mit dem Fallschirm springen? Er wusste es nicht. Aber eines wusste er genau: Das Kind würde nicht sterben, es würde sogar ziemlich bald aus dem Koma erwachen.
    21.   Dezember
    Manhattan
    Grand Central Station
    Nathan hatte beschlossen, die paar hundert Meter zu Fuß zu gehen, die sein Büro von der U-Bahn-Station trennten. Als er die imposante Silhouette des Met Life Buildings erreichte, warf er einen besorgten Blick auf seine Uhr.
    11.41   Uhr.
    Perfekt, er war nicht zu spät dran. Sogar vier Minuten zu früh betrat er den Grand Central für seine Verabredung.
    Umgeben von riesigen Glasfenstern, durch die ein weißes Licht drang, wirkte die große Halle wie eine Kathedrale. Mit seinen goldenen Kronleuchtern und seinen Marmorskulpturen ähnelte dieser Ort tatsächlich einem Museum, und die Station Grand Central wurde ihrem Ruf als schönster Bahnhof der Welt mehr als gerecht.
    Nathan durchquerte die riesige Halle im Erdgeschoss, um zu der berühmten runden Uhr mit den vier Zifferblättern zu gelangen, die den Informationsschalter überragte. Dorthin hatte Creed Leroy ihn bestellt. Im Allgemeinen schätzte Nathan diesen Ort, der in seinem Gedächtnis auf immer als Filmhintergrund gespeichert war, weil Hitchcock hier eine berühmte Szene für North by Northwest gedreht hatte.
    Wie gewöhnlich ging es hier hoch her. Jeden Tag trafen hier mehr als eine halbe Million Menschen aufeinander, bevor sie entweder nach Manhattan eilten oder in ihre Vororte zurückkehrten.
    Der perfekte Ort, um unerkannt zu verschwinden.
    Der Anwalt blieb einen Moment stehen und

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