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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Psychopathen Norman Bates in dem Film Psycho ]
    Garrett öffnete ihm nach wenigen Sekunden. Seine Augen strahlten. Er betrachtete den Anwalt mit einem ungewohnten Lächeln. Dann sagte er nur:
    »Nathan, ich habe Sie erwartet.«
    Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und trug eine fleckige Schürze.
    Wortlos folgte Nathan ihm in die Küche.
    Es war ein gemütlicher, einladender Raum. Die Wände waren mit einzelnen marineblauen Fliesen verziert. Eine lange Arbeitsfläche aus nachgedunkeltem Holz erstreckte sich über die ganze Küche und an der Wand darüber hingen zahlreiche, frisch polierte Kupferkessel in allen Größen.
    »Machen Sie es sich bequem«, forderte Goodrich ihn auf und reichte ihm eine Flasche. »Versuchen Sie mal diesen chilenischen Weißwein, er ist köstlich.«
    Dann überließ er Nathan sich selbst und machte sich an den Kochplatten eines altmodischen Herds zu schaffen. Ein Geruch nach Meeresfrüchten hing im Raum. Der Arzt schwieg für einige Minuten, denn er konzentrierte sich ganz auf die Zubereitung eines kultivierten Mahls.
    Nathan beobachtete ihn verblüfft. Ehrlich, dieser Mann faszinierte ihn. Wer war er wirklich? Was wollte er von ihm? Garrett war heute ungewöhnlich heiter. Vermutlich lag es an der bereits angebrochenen Weinflasche, die der Anwalt soeben auf einem Bistrotisch abgestellt hatte.
    Ich habe ihn schon mal gesehen. Ich weiß, dass ich diesen Mann schon mal gesehen habe. Es ist lange her, aber …
    Er versuchte einen Moment lang, ihn sich ohne Bart vorzustellen. Doch das half seiner Inspiration auch nicht, er wusste lediglich, dass es eine Zeit in seinem Leben gegeben hatte, in der er dieses Gesicht vergessen wollte.
    Goodrich holte zwei Fayence-Schalen aus einem Tellerbüfett aus lackiertem Holz.
    »Ich hoffe, Sie essen mit mir. Ich habe eine Fischsuppe zubereitet, und Sie sagen mir, wie sie Ihnen schmeckt.«
    »Hören Sie, Garrett, ich bin eigentlich nicht hier, um als Versuchskaninchen für Ihre kulinarischen Experimente zu dienen. Ich glaube, wir sollten …«
    »Ich esse nicht gern allein«, unterbrach ihn Garrett und füllte die Schalen mit einer cremigen Suppe auf der Grundlage von Venusmuscheln und Zwiebeln.
    »Goodrich, sind Sie nicht verheiratet?«, fragte Nathan und kostete den ersten Löffel der Suppe.
    »Schmecken Sie die gegrillten Speckstückchen? Sie sind so knusprig.«
    Der Anwalt lachte.
    »Garrett, ich habe Ihnen eine Frage gestellt: Leben Sie allein?«
    »Ja, Inspektor: Meine erste Frau ist vor über zwanzig Jahren gestorben. Dann machte ich eine betrübliche Erfahrung, die mit einer Scheidung endete. Jetzt bin ich so klug, es nicht wieder zu versuchen.«
    Nathan faltete eine große Leinenserviette auseinander.
    »Es ist schon lange her, nicht wahr?«
    »Was meinen Sie?«
    »Wir beide. Wir sind uns schon mal begegnet, aber es ist lange her.«
    Erneut wich Goodrich der Frage aus.
    »Wie gefällt Ihnen meine Junggesellenwohnung? Gemütlich, nicht wahr? Wissen Sie, dass es hier ein paar gute Stellen zum Fischen gibt? Morgen Vormittag habe ich frei und wollte eine kleine Runde drehen. Wenn Sie Lust haben, können Sie mich gern begleiten.«
    Mit offensichtlichem Vergnügen servierte ihm Garrett nun Jakobsmuscheln aus der Pfanne, mit Wildreis und Knoblauchbutter. Sie öffneten eine neue Flasche chilenischen Wein und dann noch eine.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte Nathan das Gefühl, sich zu entspannen. Ein Wohlgefühl erfasste ihn, und er fühlte sich plötzlich mit dem Arzt in perfekter Harmonie.
    Garrett erzählte von der grausamen Wirklichkeit, mit der er bei seiner Arbeit konfrontiert war – von den unheilbar Kranken, mit denen er Tag für Tag in Berührung kam, vom Tod, der plötzlich eintrat und Menschen mitnahm, die nicht auf diesen Übergang ins Unbekannte vorbereitet waren, und von der Notwendigkeit, deren er nie leid wurde, seine Mitmenschen zu pflegen und ihre Schmerzen zu lindern.
    Er sprach auch von seiner Koch- und Angelleidenschaft, und beide halfen ihm, am Wochenende wieder Kraft zu schöpfen.
    »Wissen Sie, es ist nicht leicht durchzuhalten. Man darf sich nicht mit seinem Patienten verbünden, muss aber in seiner Nähe bleiben, um ihn zu unterstützen und Anteil an ihm zu nehmen. Nicht immer gelingt es einem, das rechte Maß zu finden.«
    Nathan erinnerte sich an das physische und psychische Elend der Patienten im Zentrum für Palliativmedizin, das er am Tag zuvor besucht hatte. Wie konnte man sie immer weiter pflegen, wenn das Spiel von

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