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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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nicht immer reich. Meine Mutter zog mich allein auf, und sie hatte noch weniger Geld als Sie. Zum Glück konnte ich studieren. Nutzen Sie die Chance für Ihren Sohn.« »Mein Sohn wird studieren, ob Sie mir helfen oder nicht«, verteidigte sich Candice.
    ».dernich«, wiederholte Josh vom Rücksitz her, als wolle er seiner Mutter zu Hilfe kommen. »Denken Sie trotzdem noch mal darüber nach. Sie finden meine Telefonnummer in dem Lederkoffer. Rufen Sie mich bitte an, wenn Sie die Unterlagen gelesen haben, die ich Ihnen hier lasse.«
    »Ich habe lange genug nachgedacht. Wie Sie ganz richtig sagten, besitze ich fast nichts, aber ich besitze etwas, was viele Leute, die reicher sind als ich, verloren haben: Ehre und Anstand …«
    »Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie von Ehre und Anstand ablassen.«
    »Hören Sie auf mit Ihren Lügenmärchen. Ihr Angebot ist zu schön, um wahr zu sein. Da ist ganz bestimmt ein Haken an der Sache. Was werden Sie von mir fordern, wenn ich dieses Geld angenommen habe?«
    »Schauen Sie mir in die Augen!«, drängte Nathan sie.
    »Ich nehme keine Befehle von Ihnen entgegen.«
    Dennoch blickte sie ihn an.
    Nathan schaute sie unverwandt an und versicherte ihr erneut:
    »Ich bin anständig, Sie haben nichts von mir zu befürchten, ich schwöre es Ihnen. Denken Sie an Ihren Sohn, und nehmen Sie das Geld an.«
    »Meine Antwort lautet Nein«, wiederholte Candice und schlug die Wagentür zu. »Sie haben mich sehr gut verstanden. Nein, nein, nein.«
    Nathan und Candice fuhren nach Hause – jeder zu sich.
    Candice verbrachte den Rest des Vormittags damit, die in dem Lederköfferchen enthaltenen Unterlagen durchzusehen.
    Nathan verbrachte die Zeit damit, das Telefon anzustarren.
    Mittags läutete es endlich.

Kapitel 12
    … im Tode zerrissen von den Raubvögeln und den Bestien …
    Lukrez

    Nachdem Nathan zehn Minuten lang um den Block gefahren war, fand er endlich einen Parkplatz. Es gelang ihm auf Anhieb, in eine enge Lücke einzuparken. Candide saß neben ihm und wartete, bis er den Motor abgestellt hatte, um den kleinen Josh aus seinem Kindersitz auf der Rückbank zu befreien. Sie setzte den Kleinen in einen riesigen zusammenklappbaren Kinderwagen, den Nathan aus dem Kofferraum des Jeeps geholt hatte. Josh war bester Laune, trällerte aus vollem Hals unverständliche, selbst erfundene Lieder und nuckelte gleichzeitig an seinem halb leeren Fläschchen.
    Sie gingen auf ein Gebäude aus grauen und rosa Ziegelsteinen zu, in dem sich eine Filiale der First Bank of New Jersey befand.
    Um diese Zeit war viel Betrieb in der Bank. Wegen der vielen Menschen und der engen Drehtür hatten sie alle Mühe, mit dem Kinderwagen hineinzukommen. Der Sicherheitsbeamte – ein junger Schwarzer mit freundlichem Gesicht – war ihnen behilflich und machte sich mit ihnen darüber lustig, dass bestimmte moderne Einrichtungen offensichtlich nicht babygerecht waren.
    Sie betraten eine weiträumige, helle Halle, die von großen Schaufenstern eingerahmt war. Sie war hübsch gestaltet, mit ansprechenden Schaltern und eleganten kleinen Nischen aus dunklem Holz, die vertrauliche Gespräche zwischen Kunden und Bankangestellten garantierten.
    Candice kramte in ihrer Handtasche, um den berühmten Scheck herauszuholen.
    »Glauben Sie wirklich, dass es eine gute Idee ist?«
    »Wir haben es doch ausdiskutiert«, erwiderte Nathan sanft.
    Candice warf einen Blick auf Josh, dachte erneut an seine Zukunft und stellte sich schließlich vor einem Schalter an.
    »Soll ich hier bleiben?«, fragte Nathan.
    »Nicht nötig«, erwiderte sie, »es geht ja schnell. Nehmen Sie inzwischen ruhig Platz«, sagte sie und deutete auf eine Sitzgruppe im hinteren Teil des Raums.
    »Lassen Sie mich inzwischen auf Josh aufpassen.«
    »Es geht schon. Ich nehme ihn auf den Arm. Aber befreien Sie mich bloß von diesem verflixten Kinderwagen.«
    Als er sich mit dem leeren Kinderwagen entfernte, sah ihm Candice lächelnd nach und machte eine kleine Bewegung mit der Hand.
    In diesem Augenblick erinnerte sie ihn an Mallory. Er fühlte sich dieser Frau immer mehr verbunden, bewunderte ihre Schlichtheit, die ruhige Selbstsicherheit, die ihr ganzes Wesen ausstrahlte. Er war auch berührt von dem geheimen Einverständnis, das zwischen ihr und ihrem Sohn herrschte, von der Art, ihn jedes Mal, wenn er anfangen wollte zu weinen, zu umarmen und ihm beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern. Sie war eine ausgeglichene, besonnene Mutter. Ihre abgetragene Jacke und ihre

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