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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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habe ich sie bestimmt schon hundertmal gehört.«
    »Sie duften nach Jasmin«, bemerkte er lakonisch.
    21.12   Uhr
    Ja, er ist gar nicht so übel.
    22.02   Uhr
    »Kann ich noch ein drittes Bier haben?«
    »Sie haben noch nicht einmal Ihr zweites getrunken.«
    »Ich will meinen Platz an der Theke behalten.«
    »Was ist denn hier so interessant?«
    »Die Möglichkeit, Sie anzuschauen.«
    Sie zuckte die Achseln, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken.
    »Wenn Sie das glücklich macht …«
    »Haben Sie über meinen Vorschlag nachgedacht?«
    »Ihren Vorschlag?«
    »Etwas trinken zu gehen, wenn Sie hier fertig sind.«
    »Die Kellnerinnen gehen niemals mit den Gästen aus. Das ist Vorschrift.«
    »Aber außerhalb der Bar sind Sie keine Kellnerin mehr, und ich bin kein Gast mehr.«
    »Das ist eine typische Anwaltsbemerkung.«
    Aus ihrem Munde klang das keineswegs wie ein Kompliment.
    22.18   Uhr
    Nicht schlecht, aber ein bisschen eingebildet.
    22.30   Uhr
    »Ich gehe prinzipiell nicht mit verheirateten Männern aus«, sagte sie und deutete auf den Ehering, den Nathan noch immer trug.
    »Dabei sind verheiratete Männer die interessantesten, deswegen sind sie ja bereits vergeben.«
    »Das ist ziemlich idiotisch«, bemerkte sie.
    »Das war ein Scherz.«
    »Aber ein schlechter.«
    Nathan wollte gerade etwas erwidern, als Joe Conolly auf sie zukam.
    »Alles in Ordnung«, versicherte ihm Candice.
    »Umso besser«, murmelte er und zog sich wieder zurück.
    Nathan wartete, bis der Inhaber der Bar außer Hörweite war. Dann wiederholte er sein Angebot.
    »Und wenn ich nicht verheiratet wäre, würden Sie dann mit mir etwas trinken gehen?«
    »Vielleicht.«
    23.02   Uhr
    »Ich lebe nämlich von meiner Frau getrennt.«
    »Welchen Beweis habe ich, dass das stimmt?«
    »Ich könnte Ihnen die Scheidungspapiere vorlegen, aber ich dachte nicht, dass dies nötig sein könnte, nur weil ich ein Mädchen auf ein Glas einladen möchte.«
    »Vergessen Sie’s, ich glaube Ihnen.«
    »Also heißt das Ja?«
    »Ich sagte vielleicht …«
    23.13   Uhr
    Weshalb flößt er mir Vertrauen ein?
    Wenn er mich noch einmal fragt, sage ich ja…
    23.24   Uhr
    Die Bar leerte sich allmählich. Statt des ohrenbetäubenden Rocks vom Boss ertönten die einschmeichelnden Balladen von Tracy Chapman.
    Candice hatte sich fünf Minuten Pause gegönnt und unterhielt sich mit Nathan an einem hinteren Tisch. Zwischen ihnen entstand allmählich wechselseitige Sympathie, als ihre Unterhaltung plötzlich unterbrochen wurde: »Candice, Telefon!«, brüllte Joe von seinem Platz hinter dem Tresen. Die junge Frau sprang hoch. Wer rief sie an ihrem Arbeitsplatz an?
    Alarmiert griff sie nach dem Hörer, und ein paar Sekunden später war ihr Gesicht von Entsetzen gezeichnet. Sie war leichenblass, als sie auflegte.
    Sie wollte zum Tresen gehen, begann aber zu schwanken und fühlte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Nathan hatte alles beobachtet und beeilte sich, sie aufzufangen. In seinen Armen fing sie bitterlich zu weinen an.
    »Was ist denn passiert?«, fragte er.
    »Es ist mein Vater. Er … hatte einen Herzanfall.«
    »Wie das?«
    »Er wurde gerade im Rettungswagen in die Klinik gebracht.«
    »Kommen Sie, ich bringe Sie hin«, schlug Nathan vor und griff nach seinem Mantel.
    Staten Island Hospital
    Kardiologische Intensivstation
    Candice trug noch immer ihre Kellnerinnenuniform, als sie auf den Arzt zustürzte, der ihren Vater aufgenommen hatte. In Gedanken betete sie, ja sie flehte darum, die Auskunft des Arztes möge beruhigend sein.
    Sie stand jetzt vor dem Arzt. Auf dem Sticker an seinem Kittel konnte sie seinen Namen lesen: Dr.   Henry T. Jenkils. Candices Blick flehte ihn an: Beruhigen Sie mich, Herr Doktor, sagen Sie mir, dass es nichts ist, sagen Sie mir, dass ich ihn mit nach Hause nehmen kann, sagen Sie mir, dass wir Weihnachten gemeinsam verbringen werden. Ich werde ihn pflegen, ich koche für ihn Tee und Bouillon, wie er es für mich getan hat, als ich klein war, sagen Sie mir …
    Aber Doktor Jenkils hatte sich abgewöhnt, in den Augen seiner Patienten oder ihrer Angehörigen zu lesen. Im Lauf der Jahre hatte er gelernt, sich einen Panzer zuzulegen, sich nicht mehr »persönlich zu engagieren«. Das war notwendig für ihn: Zu viel Mitleid schwächte ihn und hinderte ihn daran, seine Arbeit korrekt zu machen. Als Candice ihm etwas zu nahe kam, trat er einen Schritt zurück. Dann leierte er seine wohl ausgewogene Rede herunter: »Ihr Vater fand

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