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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Hilfeleistung bei verletzten Personen … alle erschwerenden Umstände kommen hier zusammen.
    Er wusste, dass in solchen Fällen die geforderten Strafen fünfundzwanzig Jahre Gefängnis betragen können. Er kannte sogar einen Fall, bei dem der Richter einen Rückfalltäter auf vorsätzlichen Mord angeklagt und lebenslänglich für ihn gefordert hatte.
    Gefängnis! Gefängnis! Diese Tatsache beschäftigte seine Gedanken.
    Der Polizist richtete seine Taschenlampe auf den Landrover. Er ging um das Auto herum und bemerkte trotz der Dunkelheit sofort die Schrammen und die fehlende Felge.
    Jeffrey wird das niemals ertragen. Er wird nicht mal einige Monate in einer Zelle überleben. Und Lisa würde sich niemals mit der Einkerkerung ihres Gatten abfinden können.
    Und Mallory! Nathan würde sterben, das wusste er jetzt. Er wäre nicht mehr da, um sie zu unterstützen, und sie wäre allein und hoffnungslos. Ihr Mann auf dem Friedhof, ihr Vater im Gefängnis, ihre Mutter von der Schande niedergeschmettert.
    Das wird das Ende sein, dachte er, das wird das Ende der Wexlers sein.
    »Papa, ist das deine Flasche?«, fragte Bonnie und deutete auf eine zu drei Vierteln leere Whiskyflasche, die sie gerade unter dem Beifahrersitz entdeckt hatte.
    Das hatte gerade noch gefehlt.
    »Fass das nicht an, Baby.«
    Der Polizist machte ihm mit seiner Taschenlampe ein Zeichen, er solle sein Fenster herunterlassen. Der Anwalt folgte der Anordnung betont langsam. Die eisige Luft dieser feindlichen Nacht drang ins Innere des Wagens. Nathan dachte an Mallory. Die kommenden Stunden würden schwer werden. Er atmete tief ein.
    »Ich war es … ich habe dieses Kind angefahren.«

Kapitel 24
    In allen anderen Bereichen kann man für Sicherheit sorgen, aber im Hinblick auf den Tod leben wir Menschen in einer Stadt ohne Mauern.
    Epikur

    Krankenhaus in Pitsfield (Massachusetts)
    Notaufnahme
    20.06   Uhr
    »Claire, Sie werden gebraucht!«
    Doktor Claire Giuliani, eine junge Assistenzärztin, hatte vor einigen Minuten ihren Dienst beendet, als sie von der Oberschwester zurückgerufen wurde. Die Ärztin, die Claire ablösen sollte, war noch nicht eingetroffen, aber jeden Moment sollte ein Schwerverletzter eingeliefert werden. Der Fahrer des Rettungswagens hatte sein Eintreffen gerade angekündigt. Claire zog in Windeseile ihren Mantel aus und nahm ihre Wollmütze ab, um wieder in den weißen Kittel zu schlüpfen, den sie gerade in ihrem Spind mit der Blechtür verstaut hatte.
    Sie musste sich unbedingt konzentrieren. Seit knapp einem Monat trug sie volle Verantwortung für ihre Patienten, und sie lebte immer in der Angst, ihrer Aufgabe nicht gerecht zu werden. Ehrlich gesagt, war dieser erste Monat in der Klinik nicht besonders gut gelaufen: Der Arzt, der ihre Arbeit überwachte, wies sie stets in Anwesenheit aller Kollegen gnadenlos auf ihre Unzulänglichkeiten hin. Das hatte sie sehr getroffen. Es war nicht leicht, sich mit gerade vierundzwanzig Jahren durchzusetzen.
    Das Sirenengeheul des Rettungswagens, der in rasender Geschwindigkeit auf den Parkplatz fuhr, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Heute Abend würde sie allein verantwortlich sein und musste sich der Aufgabe stellen. Ein paar Sekunden später wurden die Türen aufgerissen, mehrere Helfer rollten die Trage herein. Claire holte tief Luft und stürzte sich ins Geschehen wie in den kalten Ozean.
    »Was haben wir, Armando?«, fragte sie den Fahrer des Rettungswagens.
    »Ein siebenjähriges Kind, vom Auto angefahren. Seit zwanzig Minuten im Koma. Prellungen und mehrfache Brüche des Beckens, der Rippen und des Schienbeins. Glasgow bei sechs, Blutdruck bei neun, Puls bei hundertzehn, Sättigung normal. Keine bekannte Vorgeschichte.«
    Claire beugte sich über das Kind. Der Notarzt hatte es bereits intubiert und ihm einen Venenzugang gelegt, um einen Blutdruckabfall zu verhindern. Sie kontrollierte die Atmung, legte ihr Stethoskop auf die linke Seite der Brust des Kindes.
    Okay, kein Hämatothorax.
    Dann betastete sie seinen Oberbauch.
    Kein Milzriss.
    »Okay, Ionogramm, Heparin, Blutbild.«
    Claire, bleib ruhig.
    »Außerdem will ich: Schädel-CT, Röntgenbilder von Thorax, Becken, Hals, Nacken, Schultern …«
    Du hast was vergessen, erinnere dich, du hast was vergessen  …
    »… und der Schienbeine. Los geht’s, alle an die Arbeit!«, rief sie. »Wir heben ihn an, auf mein Kommando: eins, zwei …«
    »… drei! Drei Männer, sag ich dir! Mit einem einzigen Faustschlag hab ich sie

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