Ein Erzfeind zum Verlieben
wenig kühl.«
Wenn sie es hätte riskieren können, den Mund zu öffnen, ohne ihren Mageninhalt von sich zu geben, hätte sie ihn wohl mit offenem Mund angestarrt.
War der Mann etwa um sie besorgt?
»Ach herrje, Sie sehen aber überrascht aus«, zwitscherte er. »Und Sie haben vermutlich allen Grund dazu. Ein Jammer, denn wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es ganz und gar nicht so begonnen. Ich habe mir eine etwas weniger dramatische Heimkehr für Sie vorgestellt. Aber nun, wenn es denn sein muss.«
»St. Brigit ist nicht mein Zuhause«, stieß sie durch zusammengebissene Zähne hervor.
»Aber gewiss ist es das. Der Vertrag, den Ihr Onkel unterzeichnet hat, ist in jeder Hinsicht rechtsgültig. Sie werden dort sehr glücklich sein«, versicherte er ihr mit wachsender Begeisterung. »Ich werde Ihnen Ihr eigenes Zimmer geben, wissen Sie, mit Fenster und Kamin. Und auch ein weiches Bett … obwohl, das muss ich zugeben«, fügte er mit einem weiteren Kichern hinzu, »ich in dieser Hinsicht ebenso sehr an meine eigene Bequemlichkeit denke wie an Ihre.«
Benommen vor Schmerz und mit unbarmherzig hämmerndem Kopf begriff Mirabelle nicht sofort, was das zu bedeuten hatte. Aber schließlich dämmerte es ihr, und in dicken, fettigen Wogen wallte Abscheu in ihr auf. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, bis sie fürchtete, es würde nicht ausreichen, den Mund geschlossen zu halten. Sie drückte sich in die Ecke und atmete flach, bis das Schlimmste vorüber war.
»Aber ich fürchte, Geschäft geht vor Vergnügen«, fuhr Hartsinger fort, als wäre alles in bester Ordnung. »Erzählen Sie mir, was Sie über diese Sache mit der Geldfälscherei wissen.«
Obwohl die Bewegung ihr einiges abverlangte, schüttelte Mirabelle den Kopf.
»Sie haben doch nicht etwa vor, Unwissenheit vorzuschützen? Denn darauf falle ich nicht herein. Ich habe Sie und Ihren Onkel belauscht.« Er grinste breit. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich es genossen habe, als Sie den Baron mit seiner eigenen Habe beworfen haben. Und ich hätte Sie weitermachen lassen, wenn Sie ihn nicht als einen …« Er schaute zum Kutschendach und rief es sich ins Gedächtnis. »Einen … verabscheuungswürdigen, fälschenden … und dann haben Sie nicht mehr weitergesprochen, glaube ich. Also, meine Liebe, erzählen Sie mir, warum um alles in der Welt haben Sie ihn so genannt?«
Sie hatte nicht die Absicht, auf den Mann einzugehen. Aber sie war auch nicht in der Verfassung zu streiten. Sie versuchte ihn abzulenken. »Sie sind ein Komplize«, beschuldigte sie ihn.
Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube nicht, dass mir dieses Wort gefällt. Es hat so einen gewissen Unterton. Sagen wir einfach, ich bin der Architekt. Unser kleines Geschäft war mein Werk. Wobei immer noch die Frage offen ist, wie Sie es entdeckt haben.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Seien Sie so gut«, sagte er.
»Nein.«
»Sagen Sie es mir«, wiederholte er und hob die Pistole. »Oder Sie kommen wieder in die Truhe.«
»Ich habe im Zimmer des Barons spioniert«, fauchte sie. »Ich habe die Geldscheine und die Platte gefunden.«
Er blickte verständnislos drein. Dann wurde sein Blick kalt und hart.
»Welche Platte?«
Mirabelle erhielt keine Gelegenheit zu einer Antwort. Wie aus dem Nichts peitschte ein Pistolenknall durch die Nacht.
Die Kutsche geriet ins Schlingern und wurde plötzlich schneller, und Hartsinger wurde von seinem Sitz nach vorne und auf Mirabelle geschleudert. Instinktiv stieß sie ihn mit Händen und Füßen von sich weg … und schlug ihm die Pistole aus der Hand. Sie prallte von der Bank ab und landete auf dem Boden.
Sofort hechteten beide zu der Waffe. Da Mirabelle ihr am nächsten war, erreichte sie sie als Erste, doch dies war nur begrenzt hilfreich, da er dadurch auf sie fiel.
So verletzt und verängstigt sie auch war, kam ihr dennoch der Gedanke, noch nie etwas so Abstoßendes erlebt zu haben wie Mr Hartsingers volles Gewicht, das sich auf ihrem Rücken wand. Sie stieß mit dem Ellbogen zu und traf ihn in die Rippen, aber es brachte ihr nur ein Grunzen ein und gab ihm die Gelegenheit, eine Hand unter sie zu schieben und nach der Pistole zu tasten.
Da sie sicher war, dass sie ihn nicht würde abschütteln können, und nicht genug Platz hatte, um zu zielen, ohne sich selbst zu verletzen, tat Mirabelle das Einzige, was ihr einfiel – sie kauerte sich über der Waffe zusammen, kniff die Augen fest zu und blendete Hartsingers Hände aus, die
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