Ein Ex, ein Kuss - und neues Glück?
Vater nicht wichtig zu sein. Und deswegen wollte ich selbst nie Vater werden. Aber jetzt ist es trotzdem passiert, ob es mir nun passt oder nicht.“
Grace seufzte. Bis eben hatte sie immer nur über ihren unmittelbar nächsten Schritt nachgedacht. Jetzt musste sie viel weitsichtiger planen. „Auf einmal ist alles ganz anders, oder?“, sagte sie und setzte sich auf die unterste Treppenstufe. „Wo wir wissen, dass wir Posies Eltern sind.“
Josh nahm neben ihr Platz. „Ja, allerdings.“
Mehrere Minuten lang saßen sie schweigend da und hingen ihren Gedanken nach. Erst Posie holte sie wieder ins Hier und Jetzt zurück – indem sie Josh ins Haar griff und kräftig daran zog. Er schrie leise auf.
Grace blickte hoch und öffnete lächelnd die kleine Faust. „Daran musst du dich wohl gewöhnen“, bemerkte sie.
„Hilfst du mir dabei?“
„So lange, wie es nötig ist.“ Immerhin war sie Posies Mutter. Wenn Josh bereit war, sich auf seine Vaterrolle zu besinnen … umso besser. Trotzdem wollte sie sich lieber nicht darauf verlassen.
Auf einmal sah sie alles wieder viel klarer. Sie blickte auf die Fläschchenpackung in ihrer Hand und stand auf. Ach ja, sie wollte ja noch Milch abfüllen. Und dann duschen. Außerdem in ihrem Laden vorbeischauen. „Wartest du hier unten? Ich beeile mich auch“, sagte sie zu Josh.
„Lässt du mich jetzt mit Posie allein?“ Er wirkte panisch. „Was soll ich denn mit ihr machen?“
Sie runzelte die Stirn. Verhalte dich einfach wie ein Vater! hätte sie ihm am liebsten gesagt. Aber das wäre nicht fair gewesen, er war ja gerade erst in die ganze Situation hereingestolpert.
„Lenk sie ein bisschen ab“, sagte sie. „Sie hat gerade gelernt, sich herumzudrehen. Wenn du sie auf den Teppich legst, zeigt sie dir das bestimmt gern.“ Dann lief sie die Treppen hoch, ohne sich noch einmal nach den beiden umzuschauen.
Posie ist Joshs Baby, sagte sie in Gedanken vor sich hin. Joshs Baby, Joshs Baby, Joshs Baby.
Neun Monate lang hatte sie seine Tochter in ihrem Bauch getragen, ohne davon zu wissen. Und dann hatte sie sie nach der Geburt ihrer Schwester überlassen.
Unglaublich.
Wie hatte sie die frappierende Ähnlichkeit zwischen den beiden übersehen können? Diese Lidfalte … und die dunklen Locken …
Wie gut, dass Josh ihr damals nicht die Wahrheit gesagt hatte. Dann hätte sie das Baby nämlich auf keinen Fall hergeben können, nicht mal an ihre Schwester. Es hätte sich angefühlt, als würde ihr jemand das Herz aus der Brust reißen.
Grace stellte die gefüllten Milchflaschen in den Kühlschrank, deckte den Frühstückstisch und machte sich auf die Suche nach Josh und Posie.
Im Wohnzimmer waren sie schon mal nicht, in den anderen Zimmern im Erdgeschoss auch nicht.
Da fiel ihr auf, dass die Tür zum Keller offen stand. Auf der obersten Stufe zögerte Grace. Bisher hatte sie es immer vermieden, Joshs Wohnung zu betreten, während er zu Besuch war. Sie hatte sich sogar abgewöhnt, nach seiner Abreise gleich nach unten zu gehen, um seine Bettwäsche und seine Handtücher an sich zu drücken und seinen Duft einzuatmen.
Plötzlich hörte sie sein tiefes, klangvolles Lachen. Unwillkürlich ging sie einen Schritt nach unten. Und noch einen. Und noch einen. Immer weiter, bis sie in dem kleinen Vorraum stand, von dem Joshs Schlafzimmer abging. Die Tür stand offen.
Er lag gerade bäuchlings auf dem Boden, den Rücken zu ihr, und spielte mit Posie „Kuckuck“. Inzwischen hatte er sich ein altes Sweatshirt übergestreift. Das zog er sich immer wieder übers Gesicht, um dann nach ein paar Sekunden dahinter hervorzulugen. „Kuckuck!“
Und jedes Mal strampelte Posie vor Begeisterung.
Josh lachte. „Noch mal?“
Posie wedelte aufgeregt mit den Armen.
Grace kam es so vor, als wären sie in ihre eigene Welt abgetaucht, in der es nur sie beide gab. Sie war unendlich gerührt … und gleichzeitig tieftraurig. Hin- und hergerissen, ob sie mit Josh und Posie lachen oder darüber weinen sollte, dass Michael und Phoebe das nicht miterleben durften.
Stattdessen beschloss sie, Vater und Tochter nicht dabei zu stören, wie sie sich näherkamen. Also schlich sie rückwärts zur Treppe zurück und ging so leise wie möglich die Stufen ins Erdgeschoss hoch.
5. KAPITEL
Josh hätte nicht sagen können, woran er gemerkt hatte, dass er gerade etwas verpasst hatte. Hatte er einen leichten Luftzug gespürt oder ein leises Geräusch gehört? Als er sich allerdings zur Tür umdrehte, war
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