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Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Titel: Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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sein, dass er nicht noch ganz andere Sachen in die Luft jagt«, sagte Hannah und lauschte den Aufzeichnungen ihrer Mailbox, während ich versuchte, mir Gabor als palästinensischen Selbstmordattentäter vorzustellen.
    Peggy, die sich jetzt lange genug im Hintergrund aufgehalten hatte, erschien, um unsere Teller abzuräumen.
    »Hat’s nicht geschmeckt?«, fragte sie, als sie Gabors Pizza sah.
    »Ihr Essen war köstlich, aber wir hatten uns so viel zu erzählen«, erwiderte Hannah, und Peggy nickte verständnisvoll und bot an, die Pizza noch mal in der Mikrowelle aufzuwärmen.
    »Das wäre wahnsinnig nett von Ihnen«, sagte Hannah.
    »Jetzt hast du ihr Herz erobert«, sagte ich, als Peggy mit einem Tellerstapel und einem unerwarteten Lächeln wieder verschwunden war.
    »Da hättest du mal deinen Großvater erleben sollen«, sagte Hannah. »Der hätte jetzt nicht nur die Telefonnummer von Peggy in der Tasche, sondern auch ihre Bankverbindung.«
    »Und sie hätte ihn für Sonntag zum Kaffeetrinken bei ihren Eltern eingeladen«, ergänzte ich.
    »Morgen hätte sie ihren Wellensittich Joschi getauft«, sagte Hannah und schaute verliebt auf ihr Telefondisplay. »Zwei Wochen später wäre er ihr dann beim Saubermachen des Käfigs entflogen. Sehr traurig.«
    »Nur einen kurzen Augenblick nicht aufgepasst. Er wäre nie wiedergekommen.«
    »Aber er hätte ihr eine Nachricht hinterlassen. Er hätte vorher ein Herz in den Vogelsand auf dem Käfigboden geschissen.«
    Wir sind eine Familie von Geschichtenerzählern, ich sagte es bereits.
    Als meine Mutter und Gabor wieder zurück an den Tisch kamen, rochen sie nicht gut, aber dafür wirkten sie deutlich lockerer als vorhin.
    »Interessante Details, die da plötzlich auftauchen«, sagte meine Mutter vergnügt. »Gabor erzählte mir gerade, wie entsetzt er gewesen sei, als ihm klar wurde, dass ich seine Halbschwester sein musste.«
    »Deine eigene Begeisterung hielt sich damals doch auch in Grenzen, oder?«, fragte Hannah. »Mir hast du unseren Bruder immer als reichen, affigen Schnösel beschrieben.«
    »Du hast gerade dein Handy benutzt, Petze«, sagte meine Mutter. »Ich habe es genau gesehen, als ich reinkam.«
    »Und was hast du gedacht, als du Hannah zum ersten Mal gesehen hast?«, fragte ich Gabor.
    Hannah und Gabor sahen sich an.
    »Lily, unser Treffen war eine Katastrophe«, sagte Hannah. »Er hatte keine Schwester mit Übergewicht erwartet und ich keinen Bruder mit Glatze.«
    »Das stimmt überhaupt nicht«, rief Gabor entrüstet. »Ich fand dich toll.«
    »So?«, fragte Hannah und wirkte einen Moment lang irritiert.
    »Ich fand dich wirklich toll«, wiederholte Gabor.
    »Und ich fand dich sehr seltsam«, sagte Hannah.
    Peggy erschien an unserem Tisch und servierte Gabor seine aufgewärmte Pizza mit einer wahrhaft königlichen Geste. »Ich hab noch mal extra Mozzarella draufgemacht«, sagte sie stolz. Gabor blickte bestürzt auf die Pizza und dann auf Peggy. Er sah aus wie der Mann, dem sein alter Hut immer wieder hinterhergetragen wird, obwohl er ihn doch eigentlich diskret loswerden wollte.
    »Aber ich hab doch gar nicht –«, begann er.
    »Ist schon gut«, sagte Hannah schnell. »Lassen Sie sie hier, die essen wir schon auf.«
    Peggy zog sich mit versteinerter Miene zurück. Sie würde ihren Wellensittich niemals Gabor nennen, so viel war sicher.
    Eine Zeit lang blieb es still. Die Familie mit den Kindern war längst gegangen, der Fernseher lief nicht mehr, und bis auf den Mann am Fenster, der missmutig auf sein halb volles Bier starrte, waren wir die einzigen Gäste. Peggy stand hinter dem Tresen und spülte geräuschvoll Gläser. Es klang, als wäre sie beleidigt.
    »Ich habe unser Treffen noch ziemlich gut in Erinnerung, auch wenn es jetzt mehr als fünfundzwanzig Jahre her ist«, sagte Hannah zu Gabor. »Joschi war schon ein paar Jahre tot, und deine Mutter war gerade an Krebs gestorben. Du hast mir erzählt, dass Alfred seinen Posten als Direktor samt Boot versoffen hätte, aber wenigstens das Haus stünde noch, und von seiner großzügigen Abfindung wäre auch noch genug übrig. Eigentlich müsstest du nur noch warten, bis Alfreds Leber endgültig aufgeben würde, und dann hättest du genügend Vermögen, um bis ans Ende deiner Tage nicht mehr arbeiten zu müssen. Du hast es mir ganz genau vorgerechnet.«
    »Tja, also –«, begann Gabor.
    »Ich war damals gerade von meiner ersten Israelreise zurückgekehrt. Als ich dir davon erzählen wollte, hast du mich

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