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Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Titel: Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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abgewürgt mit den Worten, ich solle dir bloß nicht mit dieser Judennummer kommen.«
    »Hannah, um Himmels willen«, sagte meine Mutter. »Hast du etwa versucht, ihm diese Fotos zu zeigen, auf denen du im Kibbuz mit deiner Tanzgruppe Hora tanzt?«
    »Was für Fotos?«, fragte ich.
    »Ganz schlimme Fotos, Lily«, sagte meine Mutter.
    »Ich bin gar nicht erst dazu gekommen, sie zu zeigen«, meinte Hannah bedauernd. »Jedenfalls war nach diesem Treffen ziemlich klar, dass wir nicht viel gemeinsam hatten, Gabor. Du hast mich danach noch zwei- oder dreimal angerufen, aber ich wollte mich nicht mehr mit dir verabreden, und daraufhin hast du gesagt, ich wäre genauso eine arrogante Zicke wie Marika.«
    »Meine Güte, ja«, sagte Gabor und sah auf seine Hände herab.
    »Arrogante Zicke? Ich?«, fragte meine Mutter. »Wie recht du doch hattest. Aber nicht unsere Hannah. Hannah war immer gut.«
    »Zum Glück habe ich dich gerade noch rechtzeitig kennengelernt, Marika«, sagte Hannah zufrieden. »Du hast mir das Gutsein ausgetrieben. Außerdem hast du meinen Eintritt in die israelische Armee verhindern können.«
    »Das war ganz leicht«, antwortete meine Mutter. »Ich musste dir nur sagen, dass sie dort regelmäßig Sport machen, und schon war das Thema erledigt.«
    »Gabor, krieg dich wieder ein«, sagte Hannah. »Mir ist es inzwischen ziemlich egal, wie blöd du dich damals angestellt hast. Hat es denn wenigstens mit deiner Geldanlage geklappt?«
    Gabor lachte sein meckerndes Lachen. »Natürlich nicht«, sagte er. »In dieser Hinsicht bin ich ganz der Sohn meines Vaters.«
    Wir wussten alle, welchen seiner Väter er damit meinte.

5
    MEINE MUTTER SAGT , Joschi hätte ein unglaubliches Improvisationstalent besessen und dazu noch eine große Begabung zum schöngeredeten Scheitern, die ihm sehr zugute kam, denn er hatte leider auch einen miserablen Instinkt für Geschäfte jeglicher Art. Zu den vielen Mythen, die sich um seine Person ranken, gehört auch eine bahnbrechende Erfindung, mit der er das Aufbrühverfahren der elektrischen Kaffeemaschine revolutioniert haben soll. Es ist typisch für unsere Familie, dass niemand sagen kann, um was für eine Erfindung es sich dabei gehandelt haben könnte. Dafür weiß jeder davon zu berichten, wie Joschi sein Patent in einem schwachen Augenblick für eine lächerliche Geldsumme verhökerte. Manchmal ist sogar von einer Pokerrunde die Rede, die er nur dank des Einsatzes seiner Erfindung lebend verlassen konnte. Ich verstehe zu wenig vom Pokern, um sagen zu können, ob man auf diese Weise tatsächlich seinen Hals retten kann, aber meine Mutter meint, es gebe eine dermaßen lange Liste von abstrusen Dingen, die Joschi angeblich verspielt hätte, dass sie ein Kaffeemaschinenersatzteilpatent als Spieleinsatz für durchaus realistisch hält.
    Bei der Geschichte mit dem Boxkampf hingegen sind sich alle einig, dass sie sich ungefähr so zugetragen haben muss, auch wenn sie schon durch viele Köpfe gereist ist und sicher hier und da um ein paar interessante Details ergänzt wurde. Sie spielt 1949, also in der Zeit, in der er noch mit Louise verheiratet war. In jenem Sommer hatte mein Großvater einen todsicheren Tipp gesteckt bekommen, wie sich mühelos ein Haufen Geld verdienen ließe. Boxkämpfe seien wieder gefragt, hieß es, und mein Großvater fand es nur allzu verständlich, dass die Leute endlich mal wieder zugucken wollten, wie einer was aufs Maul kriegt nach all den schweren Jahren. Also beschloss Joschi, Boxkampfveranstalter zu werden und sich eine goldene Nase zu verdienen. Es war nicht die erste seiner tollen Geschäftsideen, und es sollte auch nicht seine letzte sein, aber es war die einzige, die er jemals im großen Stil umsetzte. Joschi mietete eine Turnhalle, den wundersamerweise vollständig erhaltenen Anbau einer Grundschule weit draußen am Stadtrand, deren Hauptgebäude durch den Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut worden war. Er überredete eine Handvoll Freunde und Bekannte zum Mitmachen, und gemeinsam zimmerten sie eine Plattform für den Boxring und hatten am Ende sogar noch genügend Holz für ein paar Sitzbänke übrig. Ganz vorne sollten die prominenten Gäste sitzen, und dort platzierte Joschi die Stühle, die er in einem Nebenraum entdeckt hatte. Sie waren zwar für Zweit- oder Drittklässler gedacht, aber hatten immerhin eine Rückenlehne, was mein Großvater wichtiger fand als die Sitzhöhe. »Geld gibt, wenn Erfolg. Diese Sache ist Erfolg, ich kann

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