Ein Fall für Al Wheeler
plötzlich klar, daß ich sie die ganzen Jahre über
für genau diese Gelegenheit aufgespart hatte. Ich legte sie vorsichtig auf,
zündete eine Zigarette an und drehte mich dann um, um zuzusehen, wie Dolores in
Aktion trat. Zum erstenmal in meinem Leben wußte ich
genau, wie einem Sultan in dem Augenblick zumute ist, bevor er mit den Fingern
schnippt.
Dolores streifte ihre
Goldriemensandalen ab und stellte sie ordentlich vor die Couch. Sie knöpfte
beinahe zerstreut ihre Bluse auf, während sie in tiefer Konzentration dem
Rhythmus lauschte. Dann flatterte die Bluse anmutig wie das Cape eines Matadors
auf die Couch, und einen Augenblick später folgte ihr Büstenhalter. Sie
schlängelte sich mit sinnlichen Bewegungen aus der hautengen Hose, schleuderte
sie achtlos auf den kleinen Haufen Kleidungsstücke und trat dann in die Mitte
des Teppichs.
Sie blieb regungslos stehen,
die Arme mit ineinander verschränkten Fingern über dem Kopf erhoben, während
die Deckenbeleuchtung den üppigen Rundungen ihres prächtigen Körpers einen schimmernden
Glanz verlieh. Sie trug nichts mehr am Leib als ein weißes Seidenhöschen. Ich
setzte mich auf die Couch und wartete auf den Auftritt einer Expertin — erfüllt
von jenem erregten und ungewissen Sehnen eines Halbwüchsigen, das auf einmal
wieder da war.
Plötzlich geriet Dolores mit
einem wahrhaft vulkanartigen Ausbruch in Bewegung. Ihr Körper schwankte und
kreiste mit einer phantastischen Gleichmäßigkeit genau im Rhythmus der Musik.
Die vergessene Zigarette verglimmte zwischen meinen
Fingern, während ich wie gebannt zuschaute. Dolores’ Augen waren halb
geschlossen, und auf ihrem abwärtsgewandten Gesicht lag ein Ausdruck, der an
Verzückung grenzte, während ihr Körper das Unwahrscheinliche, das Unglaubliche,
das Unmögliche vollbrachte.
Reines Striptease ist etwas für
die nach Sex Dürstenden und Vereinsamten — eine Reihe von erotischen
Hüftschwenkungen und Kreisbewegungen, die vom Anzüglichen bis zum Obszönen
reichen und mit der Zeit eintönig werden. Aber dies hier war etwas, das ich
noch nie gesehen hatte — ein Tanz ohne die Bewegungen einer Tänzerin, eine
Hymne offenen sinnlichen Entzückens, die stolze Zurschaustellung eines
vollkommen geformten Körpers, beherrscht durch eiserne Disziplin. Vielleicht
hatten Menschen damals, in einer noch jugendlicheren Welt, so in heidnischen
Tempeln getanzt, unter den grausamen und unversöhnlichen Augen ihrer steinernen
Götter.
Dann — schließlich — war die
Platte zu Ende, und Dolores schwingende Bewegungen ließen nach, bis sie
regungslos dastand, aufrecht wie eine aus mit feinen Adern durchzogenem Marmor
gehauene heidnische Gottheit. Ihre Arme sanken langsam seitlich herab, und sie
schüttelte den Kopf, als wäre sie eben aus einem Traum erwacht.
»Danach könnte ich noch etwas
zu trinken vertragen, Al Wheeler«, sagte sie im Konversationston. »Und passen
Sie auf, daß Sie nicht auf Ihre Augäpfel treten, wenn Sie aufstehen .«
Ich erhob mich schwankend auf
meine Füße und ging mit weichen Knien durchs Zimmer zu dem Tisch, auf dem
Scotch und alles übrige stand. Dolores lag wieder auf der
Couch, als ich mit einem Glas in jeder Hand zurückkehrte. Das einzige Zeichen
irgendwelcher Erschöpfung bestand nur aus dem steten Heben und Senken ihrer
hohen, vollen Brust, während sie tief und rhythmisch atmete.
»Danke .« Sie nahm das eine Glas aus meiner Hand und leerte es mit einem einzigen langen
Zug, reichte es mir, nahm das andere aus meiner anderen Hand und trank den
Inhalt innerhalb desselben Minimums an Zeit.
»Wohl bekomm’s «,
sagte ich bitter und warf die leeren Gläser über die Couch weg auf den Boden,
eine Geste, die mehr dazu bestimmt war, mir die Hände freizuhalten, als eine
dramatische Wirkung im altrussischen Stil zu erzielen.
»Wie hoch schätzen Sie jetzt
Ihr Sexbömbchen ein ?« fragte
Dolores mit einer Stimme, die wie das geschmeidige Schnurren eines Panthers
klang.
»Sie ist eine reine Amateurin«,
sagte ich wahrheitsgemäß. »Das war prachtvoll! Warum bringen Sie statt ihrer
gewöhnlichen Nummer nicht einmal dies hier? Die Leute würden tot umfallen !«
»Gibt es nicht irgendeinen
funkelnagelneuen Ausspruch, daß man seine Perlen nicht vor die Säue werfen soll ?« fragte sie leichthin. »Der Durchschnittsbesucher des Clubs Extravaganza bezahlt sein Geld, um etwas ganz Bestimmtes zu sehen — und das kriegt er auch
zu sehen .«
»Wahrscheinlich haben Sie recht«,
gab ich zu.
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