Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
und rechts von mir. Vor uns ausgebreitet lagen Fotografien von den vier ermordeten Frauen. Das war der schwierigste und zeitaufwendigste Teil der Untersuchung - den Mörder zu typisieren, das Opfer zu typisieren, um dann wieder ein Persönlichkeitsmuster des Mörders herzustellen.
    Wesley beschrieb ihn. Darin war er am besten, und er traf die Atmosphäre eines Verbrechens oft beängstigend genau, in diesem Fall war es kalte, berechnende Wut.
    "Ich denke, er ist weiß", sagte er. "Aber ich würde meinen Ruf nicht darauf verwetten. Cecile Tyler war schwarz, und eine Rassenmischung bei der Auswahl der Opfer ist ungewöhnlich, es sei denn, der Mörder dekompensiert sehr schnell." Er nahm ein Foto von Cecile Tyler in die Hand. Sie war dunkelhäutig, hübsch und Empfangsdame in einer Northside-Investment-Firma. Wie Lori Petersen war sie gefesselt und erdrosselt worden, ihr nackter Körper hatte auf dem Bett gelegen.
    "Aber wir finden dieses Phänomen zur Zeit immer häufiger. Es ist ein Trend, die Zunahme von Sexualmorden, bei denen der Täter schwarz ist, die Frau weiß, aber selten umgekehrt - weiße Männer, die eine schwarze Frau vergewaltigen und ermorden. Nutten sind hierbei eine Ausnahme." Er sah ausdruckslos auf die Ansammlung von Fotos. "Diese Frauen waren ganz sicher keine Nutten. Ich schätze, wenn sie es gewesen wären", murmelte er, "wäre unser Job ein wenig einfacher."
    "Ja, aber ihrer war's nicht gewesen", warf Marino ein.
    Wesley lächelte nicht. "Zumindest wäre eine Verbindung da, die vielleicht einen Sinn ergäbe, Pete. Die Auswahl." Er schüttelte den Kopf. "Es ist seltsam."
    "Was sagt denn Fortosis so in den letzten Tagen?" fragte Marino und meinte damit den Psychiater, der die Fälle durchgesehen hatte.
    "Nicht allzuviel", antwortete Wesley. "Ich habe ihn heute morgen kurz gesprochen. Er reagierte zurückhaltend. Ich glaube, der Mord an dieser Ärztin läßt ihn ein paar Dinge überdenken. Aber er ist immer noch verdammt sicher, daß der Mörder weiß ist."
    Das Gesicht aus meinem Traum, das weiße Gesicht ohne Konturen. "Er ist vermutlich zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig." Wesley starrte weiter vor sich hin. "Da die Morde nicht an ein Gebiet gebunden sind, muß er irgendwie herumkommen, mit einem Auto oder Motorrad oder einem Lastwagen oder Transporter. Meine Vermutung ist, daß er seinen fahrbaren Untersatz an einem unverdächtigen Platz stehen läßt und dann weiter zu Fuß geht. Sein Auto ist ein älteres Modell, wahrscheinlich amerikanisch, dunkel oder in einer gedeckten Farbe wie Beige oder Grau. Es fällt auf den Straßen nicht auf, das heißt, es ist wahrscheinlich so ein Auto, wie es Zivilbeamte fahren."
    Er scherzte nicht. Diese Mördertypen waren häufig von der Polizeiarbeit fasziniert und eiferten den Polizisten manchmal sogar nach. Das klassische Verhalten eines Psychopathen nach einer Straftat ist, sich irgendwie in die Ermittlungsarbeiten einzumischen. Er will der Polizei helfen, Ansichten und Vorschläge äußern, den Rettungsmannschaften bei der Suche nach der Leiche helfen, die er irgendwo im Wald vergraben hat. Er ist die Art von Mensch, die, ohne mit der Wimper zu zucken, im Polizeiclub herumsitzen und mit den Polizisten, die nicht im Dienst sind, ein Bier trinken würde. Man vermutet, daß mindestens ein Prozent der Bevölkerung psychopathisch veranlagt ist. Diese Individuen werden furchtlos geboren; sie verstehen es, Menschen zu benutzen und zu manipulieren. Auf der richtigen Seite sind sie großartige Spione, Kriegshelden, Fünf-Sterne-Generäle, Firmenbillionäre und "James Bonds". Auf der falschen Seite sind sie die Verkörperung des Bösen, asoziale, aber klinisch gesunde Menschen, die Grausamkeiten begehen, keine Gewissensbisse empfinden und nicht bestraft werden.
    "Er ist ein Einzelgänger", fuhr Wesley fort, "und hat Schwierigkeiten mit engen Beziehungen, obwohl er durchaus angenehm oder sogar charmant zu seinen Bekannten sein kann. Er steht keinem Menschen wirklich nahe. Er ist der Typ, der eine Frau in einer Bar anspricht, mit ihr ins Bett geht und es frustrierend und extrem unbefriedigend findet."
    "Das Gefühl kenne ich", sagte Marino gähnend.
    Wesley führte weiter aus: "Er bezieht wahrscheinlich weit mehr Befriedigung über Gewaltpornos, Detektivmagazine und S&M-Hefte und hatte vermutlich schon lange Phantasien von Sex und Gewalt, bevor er anfing, diese Phantasien in die Realität umzusetzen. Vielleicht begann er zunächst damit, alleinstehende Frauen

Weitere Kostenlose Bücher