Ein Fall für Kay Scarpetta
ins Kino einlud. Die ganze Zeit über, während wir im Restaurant und im Kino waren, wartete ich darauf, daß mein Pieper ertönen würde und immer wieder überzeugte ich mich davon, daß die Batterien noch funktionierten. Ich traute der Stille nicht. Gegen drei Uhr nachmittags hatte ich zwei Autopsieberichte diktiert und einen Stapel von Kurzdiktaten abgearbeitet. Als ich beim Eintreten in den Aufzug mein Telefon klingeln hörte, rannte ich zurück in mein Büro und griff nach dem Hörer. Es war Bill.
"Klappt das mit heute abend?"
Ich konnte nicht nein sagen. "Ich freue mich darauf " , sagte ich mit einer Begeisterung, die ich nicht teilen konnte. "Aber ich glaube, meine Gesellschaft ist nicht unbedingt entspannend in diesen Tagen."
Ich verließ das Büro.
Es war ein weiterer sonniger Tag. Es wurde immer heißer. Der Grasstreifen um mein Gebäude sah langsam verdorrt aus, und ich hörte im Radio auf der Heimfahrt, daß die Tomatenblüte kaputtgehen würde, wenn es nicht regnete. Der Frühling war eigenartig und unbeständig gewesen. Wir hatten lange Perioden mit sonnigem, windigem Wetter, und dann zogen plötzlich schwarze Wolken auf. Blitze unterbrachen die Elektrizitätsleitungen in der Stadt, und der Regen strömte in Bächen die Straßen hinunter. Manchmal war ich erstaunt, was für Parallelen es im Leben gab. Meine Beziehung zu Bill war nicht viel anders als das Wetter. Er tauchte mit fast wilder Schönheit auf, und ich bemerkte, daß ich eigentlich nur einen sanften Regen wollte, etwas ruhiges, um die Sehnsucht in meinem Herzen zu stillen. Einerseits freute ich mich darauf, ihn heute abend zu sehen, dann aber auch wieder nicht.
Er war pünktlich, wie immer, und fuhr um exakt fünf Uhr vor.
"Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist", bemerkte er, als wir in meinem Hinterhof standen und den Grill herrichteten.
"Schlecht?" fragte ich. "Ich glaube nicht, daß du das wirklich so meinst, Bill."
Die Sonne stand tief, war aber immer noch sehr heiß. Wolken zogen über uns hinweg und tauchten uns in ein Wechselspiel von Licht und Schatten. Der Wind war aufgefrischt, und es lag ein Wetterwechsel in der Luft. Er wischte seine Stirn mit dem Hemdsärmel ab und zwinkerte mir zu.
"Schlecht, Kay, weil sein Schweigen bedeuten könnte, daß er das Gebiet verlassen hat."
Wir traten von den glühenden Kohlen zurück und tranken aus unseren Bierflaschen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß der Mörder an einen anderen Ort gegangen sein könnte. Ich wollte ihn hier. Zumindest kannten wir seine Vorgehensweise. Ich fürchtete, er könnte in anderen Städten zuschlagen, wo die Fälle von Polizeibeamten und Medical Examiners bearbeitet wurden, die nicht wußten, was wir wußten. Nichts konnte eine Untersuchung so durcheinanderbringen, als wenn mehrere Gerichtsbezirke daran arbeiteten. Die Polizisten verteidigten eifersüchtig ihr Territorium. Jeder wollte den Täter fangen, und jeder dachte, er könnte den Fall besser lösen als der andere.
Ich vermute, ich stand auch nicht gerade über solchen Gedanken. Die Opfer waren meine Mündel geworden, und ihre einzige Hoffnung auf Gerechtigkeit bestand darin, daß der Mörder hier gefaßt und vor Gericht gebracht wurde. Eine Person kann nur wegen einer bestimmten Anzahl von Kapitalverbrechen angeklagt werden, und ein Verfahren in einer anderen Stadt könnte eine Strafverfolgung hier verhindern. Dies war ein furchtbarer Gedanke.
Bill schüttete etwas mehr Brennflüssigkeit über die Holzkohle. Er trat vom Grill zurück und sah mich an, sein Gesicht war von der Hitze gerötet.
"Was ist mit deinem Computer?" fragte er.
Ich zögerte. Es gab keinen Grund, ihm etwas zu verbergen. Bill wußte genau, daß ich Amburgeys Anordnungen mißachtet hatte und weder das Kennwort geändert noch irgend etwas anderes getan hatte, um meine Daten zu "sichern", wie er es ausgedrückt hatte. Bill stand direkt hinter mir, als ich letzten Montag abend den Answer-Mode aktivierte und das Echo wieder anstellte, als ob ich den Eindringling ermutigen wollte, es noch einmal zu tun. Und das genau wollte ich auch.
"Es sieht nicht so aus, als wäre noch einmal jemand eingedrungen, wenn du das meinst."
"Interessant", sagte er sinnierend und trank einen Schluck von seinem Bier. "Es ergibt wenig Sinn. Man sollte meinen, die Person würde versuchen, sich Zugang zu Lori Petersens Fall zu verschaffen."
"Sie ist nicht im Computer", erinnerte ich ihn. "Es kommen keine neuen Daten mehr in den Computer, bis
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