Ein Fall für Kay Scarpetta
und kam mit einer Handvoll von dem grauen Pulver zurück. Vander schaltete den Laser an. Die Seife leuchtete in grellem Weiß.
"Ich werde verrückt..."
Vander war begeistert, aber ich fühlte mich unwohl. Ich wollte unbedingt wissen, woher der Rückstand stammte, den wir auf den Leichen gefunden hatten. Aber ich hätte nie, nicht einmal in meinen kühnsten Phantasien, zu hoffen gewagt, daß es etwas sein könnte, was in jedem Waschraum meines Gebäudes zu finden war. Ich war immer noch nicht überzeugt. Stammte der Rückstand auf dieser Mappe von meinen Händen? Was war, wenn er nicht von mir war?
Wir führten Versuche durch. Wenn Feuerlöscher getestet werden, wird eine Serie von Testfeuern angezündet, um die Reichweite zu bestimmen. Vander und ich machten eine Serie von Testwaschungen, um zu bestimmen, wie gründlich man die Hände abspülen mußte, damit nichts von dem Rückstand unter dem Laser aufleuchtete.
Er schrubbte sich kräftig mit dem Pulver die Hände, spülte sie gut ab und trocknete sie sorgfältig mit einem Papierhandtuch. Der Laser erfaßte ein oder zwei Funken, mehr nicht. Ich versuchte, mein Händewaschen zu wiederholen, genau so, wie ich sie unten gewaschen hatte. Das Resultat war eine Vielzahl von Funken, die ganz leicht auf die Tischplatte, den Kragen von Vanders Kittel und alles, was ich berührte, übertragen werden konnten. Je mehr ich anfaßte, desto weniger Funken blieben offenb ar auf meinen Händen zurück.
Ich ging zur Damentoilette und kam mit einer Kaffeetasse voller Seife zurück. Wir wuschen unsere Hände, immer und immer wieder. Das Licht ging an und aus, der Laser arbeitete, bis schließlich der Bereich um das Waschbecken aussah wie Richmond bei Nacht. Ein interessantes Phänomen wurde sichtbar. Je mehr wir uns wuschen und abtrockneten, desto mehr Funken sammelten sich an. Sie gerieten unter unsere Fingernägel, klebten an unseren Handgelenken und an den Manschetten unserer Ärmel. Sie gelangten auf unsere Kleider, in unser Haar, auf unsere Gesichter und Hälse - überall dahin, wo wir etwas berührten. Nach ungefähr fünfundvierzig Minuten und Dutzenden von Testwaschungen sahen Vander und ich im normalen Licht absolut normal aus. Im Laserlicht sahen wir aus wie lamettabehangene Weihnachtsbäume.
"Scheiße", rief er in die Dunkelheit. Es war ein Ausdruck, den ich noch nie von ihm gehört hatte.
"Schauen Sie sich das Zeug an. Der Bastard muß ein Waschneurotiker sein. Um so viel von dem Zeug zu hinterlassen, wie er es tut, muß er seine Hände zwanzigmal am Tag waschen."
"Wenn dieses Seifenpulver die Antwort ist", erinnerte ich ihn.
"Natürlich, natürlich."
Ich betete, daß die Wissenschaftler oben mit ihren weiteren Untersuchungen helfen konnten. Aber was weder durch sie noch durch irgend jemand anderen bestimmt werden konnte, dachte ich, war die Herkunft des Rückstandes auf der Mappe - und, vor allem, wie die Mappe in den Kühlraum gekommen war.
Meine ängstliche innere Stimme setzte mir wieder zu. Du kannst einfach nicht akzeptieren, daß du einen Fehler gemacht hast. Du kannst dich einfach nicht mit der Wahrheit abfinden. Du hast den PERK falsch etikettiert, und der Rückstand darauf stammte von deinen eigenen Händen.
Aber was, wenn ein böses Spiel dahintersteckte? Ich überlegte. Was, wenn jemand mit böser Absicht die Mappe in den Kühlraum gelegt hatte, und was, wenn der glitzernde Rückstand von den Händen dieser Person und nicht von meinen stammte? Es war ein merkwürdiger Gedanke, eine Vorstellung, die sich in mir ausbreitete wie ein Gift.
Ein ähnlicher Rückstand war auf den Leichen von vier ermordeten Frauen gefunden worden.
Ich wußte, daß Wingo, Betty, Vander und ich die Mappe angefaßt hatten. Die einzigen anderen Personen, die sie berührt haben konnten, waren Tanner, Amburgey oder Bill. Ich hatte Bills Gesicht vor Augen. Etwas Unangenehmes und Beängstigendes durchfuhr mich, als sich der Montag nachmittag noch einmal in meinem Gedächtnis abspielte. Bill war so abwesend bei dem Treffen mit Amburgey und Tanner gewesen. Er war unfähig, mich anzusehen, auch später, als die drei Männer in meinem Konferenzzimmer die Unterlagen durchschauten.
Ich sah, wie die Akten von Bills Schoß fielen und in einem furchtbaren Durcheinander auf dem Boden landeten. Tanner hatte sofort angeboten, sie aufzuheben. Seine Hilfsbereitschaft wirkte automatisch. Aber es war Bill, der die Papiere aufhob, bei denen auch die übriggebliebenen Etiketten gewesen sein
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