Ein Fall von Liebe
B. Niemand ist schuldig. Er hat nur den Verstand verloren.« Als seine anfängliche Angst verging, trat an ihre Stelle Wut. Nie würde er Peter das verzeihen. Er hatte ihn oft genug gewarnt. Daß er ihr auch nur etwas von ihren Liebesspielen angedeutet haben könnte, ließ ihn hassen, was sie getan hatten. Nur ihr unerschütterlicher Glaube an ihn hatte ihn davor bewahrt, von ihr beschuldigt zu werden. Er würde ihn hinauswerfen, selbst wenn er damit warten mußte, bis Peter von der Columbia nach Hause kam. Er würde ihn noch heute nacht hinauswerfen.
»Er ist zweifellos geistig nicht ganz gesund«, sagte C. B. Sie saß weiter kerzengerade da. Ihre in Slippern steckenden Füße lugten unter dem Saum eines der fließenden Gewänder, die sie im Hause gern trug, hervor. Ihre Hände lagen im Schoß. »Aber die Tatsache bleibt, daß ich euch zusammengebracht habe. Meinetwegen warst du freundlich zu ihm. Ich gab diesem New Yorker Arrangement meinen Segen. Ich weiß nicht, was ich seiner Mutter schreiben soll.«
Wieder schnürte ihm die Angst die Kehle zu. Der Gedanke an die Folgen, daß man öffentlich darüber sprechen würde, die Gefahr, daß seine Rolle dabei mißdeutet würde, das alles entsetzte ihn. Die Sache mußte schnell und spurlos begraben werden. »Warum willst du ihr schreiben? Ich wüßte nicht, was du noch damit zu tun hast.«
»Ich habe ihm natürlich verboten, mein Haus je wieder zu betreten. Er ließ mir keine Wahl. Aber wenn das arme Geschöpf krank ist, muß er behandelt werden. Das schuldet man ihm.«
»Es ist besser, du läßt mich mit ihm sprechen. Am liebsten würde ich ihn zwar gar nicht wiedersehen, aber ich kann mehr darüber herausbekommen als du, und auf das hin kannst du dann entscheiden.«
»Wie du willst. Ach, mein Liebster, ich fürchte, du bist vom Schicksal ebenso geschlagen wie ich, dadurch, daß Menschen dich enttäuschen. Wir idealisieren sie, und sie erfüllen selten unsere Erwartungen. Ich habe noch nie mit dir über deinen Großvater gesprochen. Du hast das vielleicht merkwürdig gefunden. Ich weiß, deine Mutter ist in Gedanken an ihn immer etwas sentimental.«
»Sie sagt, ich gliche ihm.«
»Nie und nimmer! Du nicht!« Sie sagte das mit plötzlicher Vehemenz. »George Collinge war ein Trunkenbold und ein Tier. Ich war jung und sehr töricht. Er überredete mich, mit ihm auszureißen. Meine Eltern verschlossen uns ihre Tür. Ich kam bald dahinter, daß ihre nicht die einzige war, die für Mr. Collinge für immer verschlossen blieb. Ich wollte nie jemandem sagen, was er mir angetan hat. Was er deiner Mutter angetan hat, ist etwas anderes. Er schlug sie. Er schlug sie, wenn er betrunken war und Wutanfälle bekam, schlug sie wegen eines kindlichen Streichs, oder weil sie zuviel Lärm machte, wie Kinder das tun. Als ich sie eines Tages mit blutendem und geschwollenem Mund fand, warnte ich ihn, daß, wenn das je wieder vorkommen würde, ich mit ihr wegginge. Er wußte, ich konnte ihn ruinieren. Zum Glück starb er sehr bald.«
Er starrte sie an. Ihre Stimme zitterte von einer Leidenschaft, von der er gar nicht wußte, daß sie sie besaß. Sie hob ihr Taschentuch und fegte die Alpträume vor ihren Augen fort. »Ich hätte mich nie einem anderen Mann hingeben können. Was ein solches Erlebnis für einen jungen Menschen bedeutet, läßt sich gar nicht ermessen. Dennoch habe ich überlebt. Ich frage mich, ob ich diese letzten Jahre ohne dich, mein Liebster, hätte leben können. Wir sind beide so sensibel, daß jeder Verkehr mit anderen für uns oft zu einer Qual wird. Du wirst, wie ich es gelernt habe, auch lernen müssen, dir selbst zu genügen. Ich habe es bei meiner eigenen Tochter erlebt. Ich sollte wohl ihre Haltung als einen Tribut dafür betrachten, daß es mir gelungen ist, sie vor den Schrecken der Vergangenheit zu schützen. Aber ich habe ihr nie verziehen, daß sie ihres Vaters Partei gegen mich ergriffen hat.«
Charlie bewegte die Dramatik ihres Monologs, aber zugleich beunruhigte sie ihn seltsam, als ob ihm dabei etwas entgangen wäre. Warum hatte sie gerade jetzt sich entschlossen, mit ihm über seinen Großvater zu sprechen? »Ich glaube nicht, daß sie das je getan hat«, sagte er zögernd. »Sie hat nur immer davon geredet, wie charmant und hübsch und talentiert er war.«
»Nun, du weißt jetzt die Wahrheit. Du bist mir ein großer Trost, mein Liebster. Ich kann es mir nicht verzeihen, daß ich dich der Gefährdung durch Peter ausgesetzt habe.«
»Bitte, mach
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