Ein Fall zu viel
Die Angehörigen über das gewaltsame Ableben eines Familienmitgliedes zu informieren, rangierte jedoch an oberster Stelle. Ein kurzer Blickkontakt mit Barnowski bestätigte ihm, dass sein Mitarbeiter darüber wohl ähnlich dachte. Dabei konnten sie in diesem Fall natürlich nicht voraussehen, welche Gefühle Herr Altenkämper noch für seine getrennt lebende Frau empfand. Zumindest hatten sie inzwischen erfahren, dass er seit fünf Monaten in der Wohnung einer gewissen Tatjana Behringer in Duisburg-Duissern gemeldet war. Nach einem zweiten Blickwechsel bohrte sich Barnowskis Daumen in einen der beiden mittleren Klingelknöpfe des Mietshauses in der Nähe der Nord-Süd-Achse.
»Galgenfrist«, hörte Pielkötter seinen Mitarbeiter leise vor sich hin murmeln, während sie eine Weile auf das Ertönen des Summers warteten.
Schließlich stiegen sie in selten trauter Eintracht die Stufen hoch. Im ersten Stockwerk stand eine ansehnliche, recht spärlich bekleidete junge Frau in der Tür. Der linke Träger ihres seidigen, dünnen Kleides, das eher einem aufreizenden Nachthemd glich, war ziemlich weit heruntergerutscht und gab den Brustansatz frei. Dazu trug sie weder Strümpfe noch Schuhe. Ihre gebräunte Haut ließ auf Sonnenbank oder einen Urlaub in sonnigen Gefilden schließen. Die hellblauen Augen hatte sie etwas zusammengekniffen, so als sei sie kurzsichtig und hätte vergessen, ihre Brille aufzusetzen.
»Ja bitte?«, sagte sie in einer Art, die gleichzeitig wie eine Aufforderung oder Frage klang.
»Hauptkommissar Pielkötter und Kommissar Barnowski von der Duisburger Kriminalpolizei«, stellte Pielkötter sich und seinen Mitarbeiter vor. »Wir möchten mit Herrn Altenkämper sprechen.«
»Wieso?«, fragte sie knapp, während sie einen kurzen verdutzten Blick auf die Dienstausweise warf.
»Das würden wir lieber zuerst mit Herrn Altenkämper besprechen«, erwiderte Pielkötter in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
Tatjana Behringer verzog kaum merklich das Gesicht, dann zuckte sie mit den Schultern. Schließlich gab sie die Tür frei. Die winzige Diele war in einer dunkelroten Farbe gestrichen und wirkte nicht gerade einladend. Am Ende lag ein Wohnraum, der offensichtlich auch als eine Art Fotostudio genutzt wurde. Zumindest standen in einer Ecke mehrere Kameras vor einer heruntergelassenen Leinwand.
»Lucky, kommst du bitte mal!«, rief Tatjana Behringer, nachdem sie ihnen Holzstühle an einem langen Tisch voll schmutzigem Geschirr angeboten hatte. »Hier sind zwei Herren von der Polizei für dich.« Sie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, dann wandte sie sich an ihre Besucher. »Sofern Sie nichts dagegen haben, ziehe ich mir schnell etwas über.«
»Tun Sie das«, erwiderte Pielkötter, während Barnowskis Miene auszudrücken schien, dass sie sich seinetwegen nicht so viele Umstände zu machen brauche.
Tatjana Behringer hatte kaum das Zimmer verlassen, da erschien ein attraktiver Mann um die vierzig, der sich im Türrahmen noch den letzten Zipfel Oberhemd in die Hose steckte. »Polizei?« Sein Gesichtsausdruck wirkte nicht gerade intelligent. »Ich hoffe, ich bin nicht wieder zu schnell gefahren?«
»Es geht um Ihre Frau«, erklärte Pielkötter. In diesem Moment fand er es äußerst unpassend, sich noch einmal vorzustellen. »Sie hatte einen tödlichen Autounfall.«
»Christiane?«, fragte der Mann irritiert.
»So heißt doch Ihre Gattin mit Vornamen?«
»Ja, schon«, stotterte er. »Aber wir leben seit etwa einem halben Jahr getrennt.«
Nach großer Liebe oder einem ausgeprägten Gefühl der Zusammengehörigkeit klang das nicht, dennoch wirkte Lukas Altenkämper zunächst recht erschüttert.
»War sie schuld?«, fragte er plötzlich, als gäbe es keine dringenderen Fragen. »Ich meine, sie war wirklich eine ganz miese Autofahrerin.« Aufgewühlt fuhr er mit seiner Rechten an seiner Wange entlang. »Aber das sollte ich wohl lieber nicht erwähnen. Nun, wo sie tot ist.«
»Ihre Frau hat nicht hinterm Steuer gesessen«, erwiderte Barnowski. »Sie ist von einem Auto überfahren worden. Wie es aussieht, ist sie, ohne den Verkehr zu beachten, über die Straße gelaufen.«
»Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen trifft den Fahrer des Unglückswagens tatsächlich keine Schuld«, fügte Pielkötter hinzu, während Tatjana Behringer in Jeans und einer aufreizenden Bluse erneut den Raum betrat.
»Christiane hatte einen tödlichen Unfall«, erklärte Herr Altenkämper.
»Och!«,
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