Ein Fall zu viel
einiger Fantasie eine grüne Wiese mit rotem Klatschmohn. Zu seinem Erstaunen erkannte er das Gemälde wieder. Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte es Miltons Freund Daniel Berger gemalt. Seltsam, dass er sogar den Namen behalten hatte.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, unterbrach der Psychologe seine Gedanken.
»Nein, nein«, lehnte Pielkötter ab. »Mir ist es lieber, ich nehme Sie heute nicht als Vertrauten in Anspruch. Sie sind der Therapeut und ich ein normaler Klient. Deshalb bestehe ich darauf, dass Sie mir ordnungsgemäß eine Rechnung schicken.«
»Wenn es Ihnen in diesem Fall leichter fällt, über das Problem zu sprechen, bitte. Ansonsten wäre für mich auch ein Gespräch von Mann zu Mann oder besser von Freund zu Freund okay.«
»Machen wir es lieber ganz offiziell.« Pielkötter holte tief Luft und starrte auf das Bild an der Wand. Warum fiel es ihm plötzlich so schwer, sich zu öffnen. Genau deshalb hatte er Milton doch aufgesucht. »In meiner Ehe steht es schon länger nicht zum Besten«, begann er schließlich. »Durch ihren Job in der Boutique hat sich Marianne immer weiter von mir entfernt. Hinzu kommt einfach der Zeitfaktor. Meine Arbeit nimmt mich voll in Anspruch, und wenn ich dann wirklich einmal Zeit habe, ist meine Frau nicht zu Hause.« Er seufzte.
»Vielleicht könnten Sie gemeinsam einen Plan erarbeiten, wie Sie die wenige Zeit möglichst sinnvoll nutzen«, schlug Mark Milton vor, »so dass Sie zusammen etwas unternehmen, was Ihnen beiden Freude macht.«
»Dieser Rat wäre bis vor Kurzem sicher sehr hilfreich gewesen. Leider haben sich die Probleme inzwischen verschärft.« Er stockte. »Also, ich habe meine Frau betrogen.« Nun war es endlich heraus, und Milton offensichtlich nicht im Mindesten schockiert. »Mit Katharina Gerhardt.«
»Das gibt’s doch wohl nicht«, entfuhr es dem Psychologen nicht gerade professionell.
Pielkötter konnte ihn jedoch gut verstehen. Erstens war er eben kein normaler Patient, und zweitens kannte Milton Katharina. Seine Freundin Vanessa Martini war ihre ehemalige Arbeitgeberin, und wenn ihn nicht alles täuschte, war daraus inzwischen eine ernsthafte Beziehung geworden.
»Entschuldigen Sie, aber ich bewege mich hier nicht auf neutralem Boden«, erklärte Milton mit bedauernder Miene. »Katharina Gerhardt war vorgestern noch bei uns zu Besuch.«
»Machen wir trotzdem weiter?«
»Haben Sie es Ihrer Frau gebeichtet?«
Pielkötter seufzte. »Sofort nach ihrer Rückkehr von der Dienstreise. Der Fahrt nach Mailand, mit der sie mich in gewisser Weise hintergangen hat. Aber ich will meinen Fehltritt nicht schönreden.«
»Es geht nicht um irgendwelche Schuldzuweisungen«, entgegnete Milton. »Nur darum, dass Sie mit der momentanen privaten Situation nicht zufrieden sind. Vor allem um die Frage, wie Sie diese verbessern können. Haben Sie schon eine Idee, wie eine solche Verbesserung aussehen könnte?«
»Nein«, erklärte Pielkötter nach langem Zögern. »Ich weiß nur, dass ich weder auf Marianne, noch auf Katharina verzichten mag.«
»Also geht es um eine Entscheidungsfindung und nicht darum, wie Ihre Frau Ihnen am schnellsten verzeiht.«
Pielkötter nickte. »Wozu würden Sie mir denn raten?«
»Die Entscheidung müssen Sie schon selbst fällen«, sagte Milton ernst. »Mit einem Rat kann ich Ihnen leider nicht dienen. Ich kann Ihnen höchstens Mittel an die Hand geben, die Ihre Aufgabe erleichtern.«
»Was für Mittel?«
»Fertigen Sie beispielsweise verschiedene Listen an. Auf der ersten notieren Sie, was Sie an Marianne mögen und was Ihnen an ihr missfällt.«
Pielkötter mochte diesen Rat. Die Sache hatte etwas Analytisches. »Und das Gleiche mache ich dann für Katharina.«
»Nein«, entgegnete Milton ernst. »Dazu kennen Sie Frau Gerhardt einfach zu wenig. Oder besteht das Verhältnis bereits länger?«
»Wir haben uns wirklich erst kürzlich wiedergesehen. Allerdings hat sie von Anfang an eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt. Irgendwie ähnelt sie meiner Jugendliebe.« Eigentlich hatte er das nicht preisgeben wollen.
»Aber insgesamt kann man sicher sagen, dass Sie Katharina Gerhardt zu wenig kennen, um für sie eine solche Vergleichsliste anzufertigen«, fuhr Milton fort. »Ich denke, das wäre auch unfair Ihrer Frau gegenüber. Schließlich wissen Sie genau, welche Schwächen Marianne hat. Nur ein neuer Partner hat die Möglichkeit, sich zunächst ohne Fehler zu präsentieren.«
»Aber haben Sie nicht selbst
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