Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
uns kennen gelernt hatten, erzählte ich Alfons, dass ich nicht, wie er, Tennis spielen wollte, sondern es immer mein Traum war, reiten zu lernen. Ich liebte Pferde nach wie vor und sehnte mich nach dem Geruch und dem Stall.
Prompt hatte mich Alfons im Frankfurter Reit- und Fahrverein angemeldet, und eine alte Reitlehrerin, eine Neckermann-Schülerin, nahm mich unter ihre Fittiche. Als Alfons dann eines Tages mit der Überraschung herausrückte, dass er einem Freund das Pferd abgekauft hatte, weinte ich vor Freude. Dieser Mann war unglaublich lieb zu mir.
Die Tatsache, dass wir bald darauf auch noch stolze Hundebesitzer wurden, war natürlich ebenfalls auf Alfons zurückzuführen. Wir saßen eines Abends in unserem italienischen Stammlokal, als ein Pärchen, offensichtlich im Streit, am Nachbartisch Platz nahm. In Plastiktüten hatten sie Hundeutensilien dabei, und am Ende einer Hundeleine wackelte ein stark übergewichtiger, langhaariger Dackelverschnitt. Die Frau schien schwanger zu sein. Mit dem Auftauchen der drei erstarb das Gespräch zwischen mir und Alfons, weil wir jetzt neugierig dem Nachbartisch lauschten. Aha, man war also auf dem Weg zum Tierheim. Der Hund schien Kinder nicht zu mögen, und die Frau stand kurz vor der Entbindung. Sie hatte Angst, dass der Hund das Baby aus Eifersucht beißen würde. Der Hund sollte ins Tierheim.
Alfons und ich sahen uns an.
»Er ist unglaublich hässlich«, flüsterte ich.
Alfons schielte unter den Nachbartisch. »Ich wüsste keinen Köter, der hässlicher ist«, flüsterte Alfons zurück.
Wieder schauten wir uns an, und ich nickte. Wir verstanden uns wortlos.
»Entschuldigen Sie bitte, aber ehrlich gesagt, meine Freundin und ich waren so neugierig, dass wir Ihnen zugehört haben. Wenn es nach uns geht, brauchen Sie den Hund nicht ins Tierheim zu geben. Wir würden ihn direkt mit nach Hause nehmen.«
Als sich die beleibte schwarze Flokati-Wurst behäbig unter dem Tisch hervorbemühte, wurde uns beiden klar, wie peinlich es sein würde, mit diesem Hund an der Leine durch den noblen Frankfurter Westen zu flanieren.
Wir standen auf der Straße und stritten, wer die Tüten mit dem Hundezubehör und wer den Hund nehmen durfte.
»Tarzan«, schnaubte ich verächtlich, »ich mach mich doch nicht zum Affen!«
Alfons drückte mir die Tüten in die Hand, schnappte sich die Flokati-Wurst und marschierte los.
»Er kann auch nichts dafür, dass er so aussieht, aber deshalb muss er noch lange nicht ins Tierheim«, sagte Alfons.
»Tarzan rufe ich dieses Viech aber nicht«, gab ich entrüstet zurück.
Unser neuer Mitbewohner zeigte in den ersten Tagen so ziemlich an nichts von dem, was wir ihm boten, Interesse. Er spielte nicht, er fraß das Trockenfutter nicht, und Spaziergänge mochte er anscheinend auch nicht.
»Tolle Wurst!«, schimpfte ich. Sein Fell war lang, ungepflegt, und er stank ungemein nach Hund. Bobby II alias Tarzan war ein reinrassiger Mischling zwischen einem Rauhaardackel und einem Scotchterrier. Ich kaufte eine Schermaschine, und als Bobby die Prozedur überstanden hatte und das schwarze Fell auf dem Boden lag, stand ein schlanker Hund vor mir, der ein Fell wie Samt hatte und in Pfeffer- und Salztönen gefleckt war wie ein kleiner Leopard. Er hatte bildschöne Knopfaugen, und die kurzen Haare standen frech vom Kopf ab. Nach einem halben Jahr war dieser Hund überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen. Er spielte und tobte für sein Leben gern und sprang morgens mit einem großen Satz auf unser Bett, um uns zu wecken. Bobby hatte uns endlich sein Herz geschenkt.
Mit meiner rasant absolvierten Ausbildung hatte ich die S achbearbeiterin beim Arbeitsamt sprachlos gemacht. Ich trat eine Woche nach der Prüfung meine erste Stelle als Assistentin eines Personalberaters an. Bis spät in die Nacht saß ich in meinem Büro, las mich in die verschiedenen Vorgänge ein und verschaffte mir einen Überblick.
Mein Leben verlief damals absolut sorgenfrei. Meine gesundheitlichen Probleme ließen nach, und für alle Sorgen und Ängste hatte Alfons stets eine Lösung parat! Ich nahm fast täglich Reitunterricht, hatte Freude an unserem Hund und lebte mit Alfons in harmonischer Zweisamkeit.
Ich glaubte in jeder Hinsicht, meiner Vergangenheit endgültig entronnen zu sein. Einmal, in den Jahren, hatte Jürgen angerufen, und Alfons hatte ihn am Telefon verbal abgeschlachtet. Alfons war mein Beschützer.
Durch eine Freundin wurde ich 1991 auf das Buch Tänzer an leichter Hand
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