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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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Und jetzt DAS hier. Mir fiel eine bekannte Klinik im Ruhrstädter Umfeld ein. Ich schilderte am Telefon meinen Zustand und meine häusliche Situation.
    Dem Arzt am anderen Ende der Leitung war klar, dass ich keinesfalls allein zu Hause bleiben konnte.
    »Ich sage auf der Station Bescheid. Sobald Sie können, lassen Sie sich bitte zu uns bringen. Wir sehen uns dann später.«
    Erleichtert legte ich auf. Ich rief meine Schwiegermutter an. Seit der Hochzeit nannte ich sie »Mutti«. Sie hörte das gern, und mir kam dieses Wort leicht über die Lippen. Meine Mutter hatte ich meist »Mama« genannt. Im Leben nicht hätte ich Felixʼ Mutter so angesprochen! Und beim Vornamen nennen? Fanden wir beide blöd. Es gibt so viele Leute, die einen beim Vornamen rufen, das stellte nichts Besonderes dar. »Mutti« war und ist bis heute ausschließlich meine Schwiegermutter. Bei meinem Schwiegervater war das anders. Er beharrte auf »Papa«, und das fiel mir nicht leicht. Ich verleihe dem Wort Papa seither eine besondere Betonung. Ich sage »Pabbaaa«. Mit dieser Betonung bin ich weit weg von meinem leiblichen Vater und meinen Schwiegerpabbaaa scheintʼs nicht zu stören.
    »Mutti!«, jammerte ich in den Hörer. »Stell dir vor, was mir passiert ist ... «
    Wenig später war sie schon bei mir. Die gute Seele unserer Haushalte. Sie packte gekonnt und flink meine Tasche, so als ob sie ihre eigenen Klamotten einräumen würde. Ich liebe diesen Charakterzug sehr an ihr. Da sind wir wie eineiige Zwillinge. Sie fackelt nicht lange herum, begreift schnell und packt beherzt zu. Genial. Mutti schleppte mich zum Auto. Mutti verschloss sorgsam die Türen. Mutti fuhr mich in die Klinik, redete mit dem Arzt und gab mir zum Abschied ein Küsschen.
    »Der Papa kümmert sich um dein Pferd. Mach dir um Orgulloso keine Sorgen. Sieh du zu, dass du schnell wieder auf die Füße kommst.«
    Die Ärzte erläuterten mir, dass ich schon seit Jahren Bandscheibenvorfälle haben musste. Durch die ausgeprägte Muskulatur war dies aber nie zum Vorschein gekommen. Ich befand mich in einer Phase der Schwangerschaft, in der der Körper ein bestimmtes Hormon ausschüttet, das dafür Sorge trägt, dass die Muskulatur weich wird. Das Becken würde sich dehnen müssen, und eine straffe Muskulatur war alles andere als praktisch für die spätere Entbindung. Durch die plötzlich erschlaffende Muskulatur hatten die Bandscheiben den Halt verloren und waren nach vorn gekippt. In zwei bis drei Wochen, so prognostizierte der Arzt, würde sich der Körper umgestellt haben, und dann könne ich sicherlich auch wieder laufen.
    Als Therapie konnten nur sanfte Massagen und lauwarme Fangopackungen eingesetzt werden. Ich war schwanger, und somit waren Medikamente und Spritzen tabu. Es brauchte einfach seine Zeit, die ich in der Klinik abwarten musste. Felix besuchte mich regelmäßig. Ich schlief viel und übte auf wackeligen Beinen in den Krankenhausfluren das Laufen. In der dritten Woche erreichte ich mit Mühe den Klinikgarten. Da sah ich sie: Menschen, die durch einen Unfall beide Beine verloren hatten. Menschen, die durch ein tragisches Geschehen von heute auf morgen an den Rollstuhl gefesselt worden waren. Menschen, die durch Krankheiten oder schlimmste Behinderungen kein normales Leben mehr führen konnten. Ich war erschüttert. Mein Fall war nicht der Rede wert dagegen.
    Am gleichen Tag rief ich Felix an. »Es geht wieder so einigermaßen mit dem Laufen. Holt mich bitte, sobald ihr könnt, ab, ja?« Hier wollte ich nicht bleiben. Es gab Menschen, die mein Bett nötiger hatten.
    Mutti holte mich am nächsten Morgen ab. Ich war heilfroh, wieder in meinen vier Wänden zu sein.
    Der Mai verflog durch die Hochzeitsvorbereitungen.
    Meine psychische Stabilität nahm mit zunehmender Schwangerschaft ab. Ich war ohnehin schon reichlich lädiert in die Schwangerschaft gegangen, und so war es kein Wunder, dass das Loch in meiner Seele immer größer wurde. Orgulloso wurde krank, und meine finanziellen Reserven waren bald verbraucht. Ich ritt Orgulloso nach seiner Genesung bis zum neunten Monat und flüchtete mit ihm in die Natur. Auf dem Hof hielt ich es nicht gut aus. Zwar geschah dies zum Entsetzen meiner Schwiegereltern, aber was das Reiten anbelangte, war ich immer noch sturer als sie. In den Wäldern hörte und sah ich nichts von ihnen, nichts vom Hof. Das Tier dankte es mir und trug mich sicher über jede Autobahnbrücke.
    Meine Nerven waren während der Schwangerschaft alles andere

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