Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Felix machte sich nicht die geringste Mühe, eine neue Wohnung zu suchen. Meine Vorschläge, diese oder jene Wohnung anzuschauen, wiegelte er gekonnt ab. Er wollte etwas Eigenes, die eigenen vier Wände. Dieser Wunsch war völlig in Ordnung, aber mit dem Schneckentempo, das Felix an den Tag legte, würden wir in zwei Jahren noch hier wohnen. Das feuchte Schlafzimmer stellte ein äußerst gesundheitsschädliches Wohnklima dar. Der Schimmel machte sich an den Wänden bemerkbar. In diesen Raum könnten wir auf gar keinen Fall das Kinderbettchen stellen. Blieb nur noch das Wohnzimmer. Doch ich empfand es als reinste Zumutung, Mias Bettchen ins Wohnzimmer zu stellen. Zwischen PC, Schreibtisch, Fernseher, Stereoanlage und Couch? Ich war völlig außer mir und führte die Diskussion lautstark und emotional aufgebracht. »Das ist eine Zumutung, was du hier von mir verlangst. Jeder noch so dämliche Kerl entwickelt einen Nestbau-Trieb, und du? Was machst du? Ist dir das denn alles egal? Warum tust du das? Warum tust du MIR das an?«
Ich rüttelte an der Tür. Sie war abgeschlossen. Meine Verzweiflung wuchs. Draußen war es stockfinster. Ich hasste den Weg. Der Hausflur war immer kalt. Immer dunkel. Immer muffig. Und die Toilette erst mal. Die Toilettenbrille war immer so schrecklich kalt, dass ich meine Händchen unter meine dünnen Schenkelchen legte, um die Kälte abzufangen. Jetzt hätte ich wer weiß was darum gegeben, die Toilette zu erreichen. Das Aa drückte entsetzlich. Es würde schiefgehen. Wo bloß sollte ich hinmachen? Mama und Papa würden schimpfen. Sie würden mich wieder schlagen. Alles war falsch. Alles, was ich machte, war falsch. Es ging nicht mehr. Das Aa quoll fast aus meinem Po. Ich stieg in die Dusche neben meinem Bett. Die Duschwanne war auch kalt. Das Aa stank wieder. Mein Aa stank immer. Das ganze Zimmer stank danach. Aber jetzt war das Aa draußen. Dunkles Aa auf glänzendem Weiß. Jetzt war es endlich vorbei. Kein Klopapier. Egal. Mein Bett war da. Mein Bett neben der Dusche. Neben dem Aa. Neben dem Gestank. Mein Bett im Badezimmer ...
Felix fühlte sich schuldig. Irgendwie verstand er, dass die Wohnverhältnisse auf Dauer nicht tauglich waren. Und er verstand auch, dass ich für Mia ein Zimmer einrichten wollte. Ich saß mittlerweile tränenüberströmt und heftig schluchzend auf dem Sofa. Felix wollte mich umarmen, wollte trösten, wollte wiedergutmachen. Ich reagierte aggressiv. Schlug seine Hand weg. »Fass mich nicht an!«, schrie ich hysterisch. »Ich hasse dich. Ich hasse dich dafür. Warum kann ich nicht einfach Mias Zimmer einrichten? Warum kümmerst du dich nicht um mich? Warum lässt du mich hängen? Warum?« Meine Stimme überschlug sich. Der Schmerz kam wieder. Er rollte wieder unaufhaltsam nach oben. Dieser unglaubliche Seelenschmerz war nicht mehr zu ertragen. Ich schrie die Tränen aus meinen Augen heraus. Ich heulte und heulte und heulte. Felix war perplex. Felix war erschüttert. Er wusste nicht mehr, was er sagen und was er tun sollte. Ich ließ ihn nicht mehr an mich heran.
»Christine. Bitte. So hör doch auf zu weinen. Bitte. Du sollst dein Kinderzimmer haben!«
»MEIN Kinderzimmer? MEIN Kinderzimmer?« Mein Blick wurde irre. Ich tobte wie eine Besessene. Hatte mich selbst nicht mehr im Griff. »Es ist das Zimmer unserer Tochter. IHR Zimmer, verstehst du das nicht? Was bist du für ein Vater?«
Irgendwann war auch dieser Streit zu Ende. Ich war erschöpft und verschwitzt auf dem Sofa eingeschlafen. Die Leere in meiner Seele nahm weiter zu. Ich versank in Depressionen. Ich hörte auf zu lachen. Ich hörte auf zu fühlen.
Das änderte sich schlagartig mit Mias Geburt.
Die Geburt musste eingeleitet werden. Mia wuchs nicht mehr so richtig, und die Ärzte hatten Sorge, dass die Plazenta durch meine Raucherei Schaden genommen hatte. Ich selbst machte mir schlimmste Vorwürfe. Felix machte mir nie Vorwürfe. Das bemerkte ich aber gar nicht. Die positiven Eigenschaften meines Mannes verschwanden in meinem Erleben unmerklich. Ich war froh, dass Mia jetzt zur Welt kommen sollte. Die Wehen waren unerträglich. Ich akzeptierte diese Schmerzen nicht und hielt die leichtesten Wehen nicht aus. Als die PDA gesetzt war, fühlte ich mich schlagartig besser. »Eine Pizza wäre nicht schlecht«, ulkte ich.
Felix lachte wieder. Die Frau, die da jetzt entspannt im Bett lag, gefiel ihm offensichtlich besser. Ließ ihn aufatmen. Ließ ihn Luft holen. Felix hat mich immer dankbar angenommen,
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