Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
fährt er mit den anderen Leuten durch die Gegend, anstatt sich um mich zu kümmern. Euch ist es doch egal, ob ich reite! Euch beiden ist es doch scheißegal, oder?«
In meiner Wut wurde mir plötzlich etwas klar. Weder Felix noch sein Vater äußerten je den Wunsch, dass ich in »ihr Genre« wechseln sollte. Meinem Mann war es genug der Gemeinsamkeiten, wenn ich ihn begleitete, und tatsächlich war es nicht SEIN Wunsch gewesen, dass ich Capriola verkaufte, nur um selbst auch Turniere zu reiten. Jetzt erkannte ich diese Fußangel in meiner Argumentation. Es war MEIN Wunsch gewesen. Es war MEIN Wille. Aber ICH fühlte mich nicht gut als ewiger Turniertrottel, und ICH war täglich allein mit Capriola zugange. ICH wollte eine Birkhoff sein. Mein Mann war so geboren.
Den größten Fehler aber beging Felix, als er mir in dieser Situation auch noch mein Selbstvertrauen und so meine Träume raubte.
»Verdammt noch mal! Ich möchte ein richtig gutes Pferd haben! Ich möchte, dass du stolz auf mich bist, wenn ich ins Viereck reite. Ich möchte zeigen, was ich kann. Ich will nicht in der Anfängerklasse herumhampeln!« Ich tobte.
Felix schwieg. Wie immer, wenn ich in Fahrt war.
»Jetzt mach doch mal den Mund auf, und sag endlich was dazu!«, herrschte ich ihn an.
Das waren die Momente, die Felix hasste wie die Pest. Die Momente, in denen ich ihn verbal in die Ecke trieb und er mit dem Rücken an der Wand stand.
»Ich meine einfach ...« Felix räusperte sich.
Das tut er immer, wenn er etwas sagen möchte, von dem er weiß, dass es mir nicht schmeckt.
»Ich meine, dass du vielleicht nach einem Pferd wie zum Beispiel Einstein suchen solltest. Dann kannst du ... «
Felix konnte seinen Satz nicht mehr zu Ende sprechen. »Einstein?« Ich war fassungslos. »Du meinst wirklich Einstein von Leonie?«
Felix nickte.
Noch so ein fataler Fehler.
Ich lachte laut auf. »Ich fasse es nicht! Eiiiinsteiiiin! Eine solche Gurke? Ich glaubʼs einfach nicht!«
Der Streit war für mich beendet. Ich war fertig mit diesem Mann. Absolut fertig!
Der Vorschlag meines Mannes, mir ein Pferd wie Einstein zu kaufen, war ungefähr so, als würden Sie einem begeisterten Porsche-Fahrer den Vorschlag unterbreiten, es doch mal mit einem Lada zu versuchen! Einstein war ein braves, sehr geduldiges Kinderreitpferd. Ein Pferd, auf das man sich verlassen konnte zwar, aber ungefähr so aufregend zu reiten wie ein uraltes Pony.
Am Wochenende fuhr ich allein zu einer Bekannten nach Norddeutschland. Ellen Graepel ist DIE Fachfrau schlechthin für spanische Pferde. Ihr Stall war voll mit Verkaufs- und Ausbildungspferden, und als ich am Ende des Tages nach Hause fuhr, hatte ich »Orgulloso«, zu deutsch »Angeber« gekauft.
Ein spanisches Pferd ist nur selten für den Sport geeignet: Orgulloso war überhaupt kein Sportpferd. Er war ein Barockpferd, so wie Capriola es war. Ich hatte dem Turniersport den Rücken gekehrt. Dort hatte ich nichts zu suchen. Die Enttäuschung saß tief. Irgendwann kapituliert man und nimmt zwangsläufig die Position ein, die man zugewiesen bekommt. In einer anderen Position wurde ich ja ganz offensichtlich nicht geduldet.
Orgulloso war ein hübscher, sehr kleiner, aber temperamentvoller Hengst. Ein stolzes Pferd. Und ein mutiges Pferd, wie ich später noch feststellte. Er hatte Glanz und Ausstrahlung und ein Leuchten in den Augen. Meine Familie nahm diesen Kauf befremdet, aber kommentarlos zur Kenntnis. Wie immer also.
Als Britta, Karin und ich eines Morgens vom Laufen zurückkehrten, wechselten wir uns unter der Dusche ab. Ich kam als Letzte aus dem Bad, trocknete mich im Zimmer ab und cremte mich ein. Karin und Britta starrten mich wie das siebte Weltwunder an.
»Was glotzt ihr mich denn so blöde an?«, witzelte ich.
»Sag mal, Christine. Wir teilen nun seit zweieinhalb Jahren das Zimmer ... ist dir noch nicht aufgefallen, dass du in letzter Zeit unglaublich große Brüste bekommen hast?«, fragte Karin.
Beide Frauen starrten auf meine Oberweite.
»Ich fahre zur Apotheke!«, trällerte Britta. »Du bist bestimmt schwanger.«
Und fort war sie.
Entgeistert starrte ich Karin an.
»Wann hattest du denn das letzte Mal deine Tage?«, fragte sie jetzt.
Wir rechneten nach. Seit unserer Hochzeit war nichts mehr passiert. Ich staunte nicht schlecht. Durch die Prüfungen hatte ich einfach nicht mehr darauf geachtet. Ich dachte an die Antibiotika. Dachte daran, dass wir ganz gut gebechert hatten in den letzten Wochen und
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