Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
in Richtung Altar. Hier und da winkten Freunde.
»Tolles Kleid!«, hörte ich. »Guck mal der Hut!« und »Hinreißend«.
Dann sah ich Felix. Meinen Felix. Diesen großen Jungen. Diesen stattlichen Mann. Dieser gütige Blick aus feuchten Augen! Oma hatte mich oft so angeschaut. Felix lachte mich an. Wir blickten uns tief in die Augen. Gerührt. Bewegt. Verliebt. Mit demselben Blick verziehen wir uns gegenseitig den Streit der Nacht. Wir schmunzelten mit den Augen. Verstanden uns wortlos.
»Supergut, dein Kleid«, tuschelte Felix mir ins Ohr.
Ich liebe es, wenn Felix mir etwas ins Ohr flüstert. Es hat so etwas Verschwörerisches, und es erinnert mich an jenen Abend, als er mir das erste Mal »seinen Traum« ins Ohr flüsterte. Es ist schön, wenn man sich gegenseitig Träume ins Ohr flüstert. Es verbindet. Es schweißt zusammen. Als Kind warf ich immer die Hände schützend vors Gesicht. »Und der Hut? Und die Handschuhe?«, flüsterte ich zurück.
»Steht dir richtig gut. Hat was!«
Mein Schwiegervater übergab mich seinem Sohn. Ein freundschaftliches, kurzes Schulterklopfen sagte viel aus. Felix nahm meinen Arm, und sein Griff war ebenfalls fest und bestimmt.
Es war eine schöne Zeremonie. Schön, lustig, bewegend, rührend. Von allem etwas.
Als wir nach der Trauung aus der Kirche kamen, traf mich fast der Schlag. Der Kirchplatz war schwarz von Menschen, und herausgeputzte Pferde mit schmuck zurechtgemachten Reitern standen in Reih und Glied. Es war ein überwältigend schöner Anblick. Eine geschlagene Stunde standen Felix und ich nebeneinander, schüttelten unzählige Hände und nahmen ebenso unzählige Glückwünsche entgegen. Zu Fuß gingen wir zum Hof. Felix und ich vorneweg und hinter uns die Pferde. Ein sehenswertes Brautpaar waren wir. Auffällig schön und auffällig glücklich! Als wir die Straße überquerten, mussten die Autos anhalten und lange warten. Der Hochzeitszug nahm kein Ende. Fremde Menschen hupten und winkten uns aus ihren Autos fröhlich zu. Niemand hatte es eilig. Alle genossen diesen Augenblick bei herrlichstem Sonnenschein.
Unsere kirchliche Hochzeit gehört bis heute zu den schönsten gemeinsamen Momenten in unserem Leben ... Zum Glück folgten noch weitere solch prägender Erinnerungen. Unsere Hochzeitsreise zum Beispiel. Felix ist im Urlaub immer agil, neugierig und umtriebig. Tagelang auf einer Hotelliege abzuhängen, liegt ihm nicht. Wir marschierten selbst bei brütender Hitze Hand in Hand durch die Straßen von Abu Dhabi. Wir lachten und alberten, und Felix hatte den Schalk im Nacken sitzen. Er hatte ständig spontan irgendwelche abenteuerlichen Ideen im Kopf, und seine jungenhaft witzige Art wurde mir zum ersten Mal in diesem Urlaub so richtig bewusst. Die Emiraties waren herzliche und sehr, sehr gastfreundliche Menschen. Anerkennung und Bewunderung äußerten sie genauso unverhohlen wie Freude und Hass. In dieser Region lagen zweifelsfrei meine genetischen Wurzeln. Felix liebte dieses Land. Kein Wunder. Er liebte ja auch mich.
In den zahlreichen Restaurants der Stadt futterten Felix und ich uns kreuz und quer durch die Speisekarten. Waren die Speisekarten ausschließlich in arabischer Schrift gehalten, dann tippten wir auf gut Glück auf irgendwelche Gerichte und ließen uns einfach überraschen. Kichererbsenmus, eingelegte Auberginen und Tomaten, Wassermelonen und Hühnchen, Fisch und Frittiertes, Felix ließ nichts unversucht! Es war eine Freude, ihn beim Essen zu beobachten. Wenn ich meinen Vater dabei beobachtete, wie er das Kebab zubereitete, dann ging es mir gut.
Dubai war ein Traumurlaub. Felix und ich kamen sichtlich erholt und äußerst harmonisch nach zehn Tagen zurück, und der Alltag hatte uns wieder.
Mein Bauch wurde in den nächsten Wochen zusehends größer. Wir suchten nach passenden Namen. Ich wollte unsere Tochter »Nelly« nennen, stieß aber auf heftigsten Protest meiner Schwiegermutter. Nelly, so hieß ihre eigene Schwiegermutter, und die hatte sie sehr lieb gehabt. Sie duldete keine »andere Nelly« in der Familie.
Felix meinte nur, dass man vielleicht eine Kuh Nelly nennen könnte, aber ganz sicher nicht unsere Tochter.
Ich suchte mir den Namen »Mia« aus und verteidigte diese Wahl bis zur Geburt. Auf dem Weg zum Standesamt, als Felix unsere Tochter ins Familienstammbuch eintragen ließ, fiel ihm dann ihr zweiter Name ein. »Luisa«. So heißt unsere Tochter heute Mia Luisa Birkhoff.
Kurz vor der Geburt tobte ein nächster großer Streit.
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