Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
und rätselten, was mit dem Pferd los sein könnte. Mein erster Turnierstart war die reinste Katastrophe geworden. Eine derart schlechte Note hörte man wirklich nur selten über die Lautsprecher. Tief gekränkt und peinlich berührt machten wir uns schnell vom Acker. Ich hatte versagt. Felix hatte Recht behalten. Mein Schwiegervater hatte Recht behalten. Wir waren tatsächlich superschlecht gewesen. Ich war kurz davor, dieses blöde Hobby an den Nagel zu hängen. Eigentlich war es das Einzige in meinem Leben, das mir wirklich täglich Freude bereitete. Diese Zeiten waren lange vorbei. Felix absolvierte sein erfolgreichstes Turnierjahr. Mein Selbstwertgefühl schrumpfte immer weiter zusammen.
Anfang Oktober flüchtete ich in die Teilzeit. Ich hoffte, dass Arbeit mir guttun und ich so vielleicht wieder einen Lichtblick im Leben entdecken würde. Auch das war ein Irrtum. Als ich auf die Wache kam, empfingen mich lauter alte Kollegen. Im Praktikum war das anders gewesen. Auf dieser Wache herrschte eine Stimmung, die alle Alarmglocken in mir schrillen ließ. In einer solchen Atmosphäre kann ich keine gute Leistung bringen. Das ist im Job nicht anders als beim Reiten. Einer dieser »Kollegen« machte sich einen Spaß daraus, mich gezielt zu mobben. Bis ich diese Intrigen durchschaut hatte, war ich schon unzählige Male in die Falle des Kollegen geraten und hatte ihm dadurch ebenso unzählige Male den Nährboden für weitere intrigante Spielchen geliefert. Ich machte Fehler und wurde unsicher in meinem Agieren. Ein heftiger Streit mit meinem Vorgesetzten hatte mir im Bereich »Verhalten gegenüber Vorgesetzten« ein glattes Ungenügend beschert. Das war die Art dieses alten Dienstgruppenleiters, mir zu demonstrieren, wer hier auf der Wache das Sagen hatte. Der Behördenleiter reagierte prompt und unmissverständlich: Würde ich die um ein halbes Jahr verlängerte Probezeit nicht mit einer akzeptablen Beurteilung ablegen, so wäre meine Karriere als Polizeibeamtin unverzüglich beendet. Mit vierunddreißig Lebensjahren und fast sechzehn Jahren Berufserfahrung auf dem Buckel stand ich kurz vor der totalen Kapitulation. Tief in meinem Innersten wusste ich, dass ich keine schlechte Beamtin war. Zu Hause studierte ich die alten Zeugnisse meiner vergangenen Arbeitgeber und schüttelte den Kopf, als ich zum Vergleich das Schreiben der Behördenleitung danebenlegte.
Zum Glück änderte sich die gesamte Struktur, als mit einem neuen Inspektionsleiter und einem neuen Dienstgruppenleiter nach und nach die maroden Manifeste für ungültig erklärt wurden. Neue und jüngere Kollegen und Kolleginnen kamen zu uns in die Dienstgruppe, und einige Monate später gehörte die »alte Sauftruppe« der Minderheit an.
Silke und Tomas zogen aus. Die beiden hatten eine wunderschöne Wohnung im Grünen mit Blick auf die Felder und einem Balkon gefunden. Der Tipp für diese Wohnung kam von mir. Ich hatte es von einem alten Bauern erfahren und Silke und Tomas den Namen des Vermieters nennen können. Schon drei Tage später wedelten sie überglücklich mit dem neuen Mietvertrag in der Hand. So schnell kann das gehen, dachte ich und stürzte weiter ab. Die leere Wohnung nebenan behagte mir nicht. Ich machte Felix jeden Abend die Hölle heiß. Endlich bequemte er sich und suchte mit mir in den Tageszeitungen nach einer Eigentumswohnung. Als wir diese gefunden hatten, musste die letzte Entscheidung dann tatsächlich meine Schwiegermutter treffen. Mit dieser Geste wuchs die Verachtung für meinen Mann. Warum konnte und wollte er keine Entscheidungen mit mir gemeinsam treffen?
Darauf angesprochen stritt Felix alles ab. Selbstverständlich, so wurde er es nicht leid zu betonen, ja selbstverständlich hätte er auch dann die Wohnung gekauft, wenn Mutti »Nein« gesagt hätte. Ich glaubte ihm kein Wort. Keiner von uns war dazu in der Lage, die Gesamtsituation zu beleuchten, zu analysieren und gegebenenfalls zu ändern. Keiner konnte aus seiner Haut heraus.
Meine Mutter starrte mich hasserfüllt an. In ihrer Hand eine armdickes Büschel meiner Haare. Die Kopfhaut schmerzte, und mein Schädel drohte zu platzen. Wieder einmal war der Streit eskaliert. Ich hasste diese Frau. Hasste sie abgrundtief und wünschte ihr den Tod. »Du Mistschwein!«, keuchte sie atemlos. »Ich wünsche dir, dass du eines Tages Mutter einer Tochter wirst. Dass du eines Tages genauso ein Dreckschwein am Arsch kleben hast, wie ich das habe. Du bist das Letzte! Das
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