Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Allerletzte!«
Immer wieder hielt ich mir vor Augen, dass meine Schwiegermutter ein gutherziger Mensch war. Ich informierte mich über entsprechende Fachliteratur und begriff, dass es ihr schwerfallen musste, den einzigen Sohn loszulassen. Das war vermutlich auch der Grund dafür, dass sie eines Tages völlig entrüstet in Tränen ausbrach, als sie hörte, dass ich Felix dazu verdonnert hatte, seine Wäsche selbst zu bügeln. Ihre Bitte, ihr doch wenigstens die Wäsche ihres Sohnes zu bringen, stieß bei mir nur auf Verachtung. In was für eine Familie hatte ich da eingeheiratet?
»Wenn du fertig bist mit Bügeln, dann fährst du in die Reinigung und holst Jürgens Hosen ab. Danach besorgst du Bratwurst. Jürgen möchte morgen Bratwurst mit Rotkohl. Das Bad sieht übrigens wieder aus wie Scheiße! Mach das gefälligst ordentlich, sonst knalltʼs!« Seufzend bügelte ich die Blusen und T-Shirts meiner Mutter zu Ende. Tränen tropften auf die Bluse. Es war nie genug. Sosehr ich mich auch anstrengte. Diese Frau war nie zufrieden. Ich rechnete nach: Noch über tausendvierhundert Tage bis zu meiner Volljährigkeit. Das war zu viel. Das hielt ich nicht mehr durch. Ich bügelte und bügelte und die Tränen tanzten zischend auf dem heißen Baumwollstoff ...
Als es um die Preisverhandlungen der neuen Wohnung ging, bat Felix mich um Hilfe. Er war kein Händler- und Feilschertyp und wusste das. Nach zähen Verhandlungen hatte ich den Preis um fünfundzwanzig Prozent runtergedrückt. Ich war zufrieden mit dem Ergebnis. Dafür war ich meinem Mann dann wieder gut genug, aber Entscheidungen hatte ich nicht zu treffen. Mir kam meine hierarchische Stellung, die Position in dieser Familie, irgendwie bekannt vor, aber ich konnte dieses Gefühl nicht zuordnen. Die Kommunikation zwischen uns Eheleuten war mittlerweile auf den Nullpunkt gesunken. Ahnungslos saß ich mit Felix beim Notar am Tisch und sah zu, wie der Kaufvertrag an mir vorbeigeschoben wurde. Herr Verkäufer unterschrieb. Frau Verkäufer unterschrieb. Mein Mann unterschrieb. Der Notar unterschrieb. Ich hatte nicht zu unterschreiben. Warum ich bei diesem Termin zugegen sein sollte, verstand ich nicht. Selbst die anschließende Szene, die ich Felix präsentierte, verschaffte mir keine Erleichterung, geschweige denn Genugtuung.
Die Renovierungsarbeiten raubten mir körperlich die Kräfte. Ich bin handwerklich recht geschickt und liebe es eigentlich, Wohnungen einen neuen Glanz zu verleihen.
Ich freute mich. Mit jedem Tag, der verging, freute ich mich. Ich blätterte in dem kleinen Kalender: Noch elf Tage, dann wäre es so weit. Ich wurde volljährig. »Christine, du faules Stück Scheiße! Hängst du wieder in deinem Zimmer ab und bohrst in der Nase? Hilf mir gefälligst!« Meine Mutter hatte einen alten Schrank aus Wurzelholz auf dem Sperrmüll gefunden. Der Geruch von Beize hing scharf in der Luft. Es passte gut zu ihrer Stimmung. Im Badezimmer lagen schon die neuen Fliesen bereit. Es hörte einfach nicht auf. Es war nie genug ...
Ich tapezierte und malerte und wuselte von morgens bis abends. Felix ließ mir bei der Gestaltung der Wohnung freie Hand. Ich interpretierte das als Schwäche. In meinem Ansehen sank Felix tiefer und tiefer.
Als wir die Wohnung beziehen konnten, war Mia über ein Jahr alt und konnte bereits laufen. Meine zeitliche Prognose während der Schwangerschaft war gar nicht so verkehrt gewesen. Mein Zustand hatte zum Zeitpunkt unseres Umzuges schon fast den Tiefpunkt erreicht. Sexuell spielte sich kaum noch etwas ab. Die Arbeit verschaffte mir keine Zufriedenheit, und reiterlich schlitterte ich von einer Katastrophe in die nächste. Ich hatte Capriola im Monat Februar verkauft. Jedes Jahr im Februar mussten seine Nachfolger aufgrund irgendeiner unheilbaren Erkrankung geschlachtet werden. So auch in diesem Jahr. Finanziell ruinierte mich das. Es war wie ein Fluch, der auf mir lastete. Das Geld, das viele Geld, das ich für meinen treuen Lipizzaner bekommen hatte, war kein gutes Geld. Vier Pferde in vier Jahren waren die spätere Bilanz meiner reiterlichen Laufbahn. Das fünfte Pferd, eine superschicke Rappstute mit enormer Ausstrahlung und wunderschönen Bewegungen, erblindete vierjährig durch tragische Umstände auf einem Auge. Danach war meine schwarze Schönheit nie wieder dieselbe. Sie hatte Vertrauen und Zuversicht verloren und war trotz aller Bemühungen für den Leistungssport nicht mehr geeignet. Rückenprobleme durch ständige Verkrampfungen
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