Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
seiner Mutter bewirten. Bis Felix mit Fides sein tägliches Training absolviert hatte, waren zwei bis drei Stunden vergangen. Er hatte keine Eile. Schließlich hatte er Feierabend. Es war nie vor neun Uhr abends und selten vor zehn Uhr, bis mein Mann nach Hause kam.
Unsere Streitereien nahmen wieder zu. Sexuell tat ich mich nach der Schwangerschaft sehr schwer. Während der Schwangerschaft war ich kaum zu bremsen gewesen. Meine Frauenärztin hatte nur gelacht und meine Bedenken schnell aus dem Weg geräumt.
»Nur zu, Christine. Genießen Sie diese Zeit. Niemals wieder wird Ihr Beckenboden so gut durchblutet sein.«
Felix und ich hatten bis zur letzten Sekunde unsere Sexualität in vollen Zügen genossen. Es war auch die einzige Zeit, in der es IHM manchmal zu viel wurde, nicht MIR. Jetzt saßen wir wieder auf zwei völlig verschiedenen Planeten. Mir ging es immer schlechter, und ich kämpfte gegen meine ständig präsente Traurigkeit an. Obwohl Silke und Tomas neben meinen Schwiegereltern viel Unterstützung boten, fühlte ich mich permanent überfordert. Ich beschimpfte Felix als »Muttersöhnchen« und konnte keine sachliche Diskussion mehr führen. Ich schlug verbal wild um mich und hatte das Gefühl, mich ständig gegen alles und jeden wehren zu müssen. Meine Verletztheit saß tief. Felix lebte sein Leben weiter und tat so, als hätte sich in SEINEM Leben nichts verändert.
Mein Leben hingegen war gänzlich auf den Kopf gestellt. In wenigen Wochen würde Orgulloso abgeholt werden. Weder schmeckte mir die Vorstellung, finanziell auf meinen Mann angewiesen zu sein, noch wusste ich, was aus meinem Hobby, meiner Passion werden würde. Immer noch kümmerte sich weder mein Schwiegervater darum noch mein Mann. Ich wünschte mir einfach nur Unterstützung. Ein Gespräch vielleicht, um die eigenen Wünsche herauszuarbeiten, oder die schlichte Aufmunterung: »Komm, wir fahren mal da und da hin und schauen uns mal das und das Pferd an.« Ich fühlte mich nutzlos und überflüssig, denn für die elementaren Bedürfnisse meines Mannes (essen, trinken, reiten) reichten ihm offensichtlich seine Eltern aus. Für Felix kam ich mir erstrebens- und begehrenswert vor, wenn es um Sex ging. Ich fühlte mich auf Sexualität reduziert, denn andere Gemeinsamkeiten hatten wir nicht mehr. Selbst das Thema Wohnungswechsel schien für Felix erledigt zu sein. Aus unseren Streitereien, die mehr und mehr einseitigen Hasstiraden glichen, gingen wir stets ergebnislos heraus.
Nach und nach versank ich wieder in Depressionen. Mein Rücken versagte seinen Dienst. Kernspin, Spritzen, Kernspin, Spritzen. Eine Bandscheibenoperation wurde angedacht. Mein Gewicht sank rapide. Ich aß viel, aber nichts blieb hängen. Nachts hatte ich wieder Albträume. Diese Träume wurden schlimmer und schlimmer. Diese Träume wurden bedrohlich und raubten mir die Kraft. Phantomschmerzen tauchten auf. Ich lag im Bett, und meine Knie schmerzten, dass ich bald wahnsinnig wurde. Ich schrie vor Schmerzen und wusste nicht, was mit mir los war. In einer anderen Nacht traten unbändige Schmerzen in meinen Fußgelenken auf. Dann wieder waren es meine Schultern, dann mein Brustkorb, dann meine Handgelenke. Immer öfter wachte ich mitten in der Nacht auf, weil ich keine Luft mehr bekam. Ich stürzte zum Fenster und versuchte, die kühle Nachtluft einzuatmen. Vergeblich. Ich keuchte und schwitzte und empfand meine Situation als absolut lebensbedrohlich.
Ich rannte von Arzt zu Arzt, nichts ließ sich finden. Nichts. Alles in Ordnung, lautete jedes Mal die Diagnose. Und jede Nacht kamen sie wieder: diese grauenvollen und unerklärlichen Schmerzen. Jede Nacht. Wochenlang. Monatelang. Tagsüber heulte ich mir ständig die Seele aus dem Leib. Wegen nichts. Einfach so.
In der Zwischenzeit hatte ich wieder einmal ein Pferd gekauft. Ein wunderschönes Tier, fünf Jahre alt, gut ausgebildet und schweineteuer. Felix und mein Schwiegervater regten sich wahnsinnig auf, dass ich so viel Geld ausgegeben hatte. Ich verstand die Welt nicht mehr: Erst kümmerten sie sich nicht um mich, und wenn ich dann meine eigenen Entscheidungen traf, dann war das auch nicht richtig. Ich quälte mich mit dem Pferd ab. Der Wallach war schwierig und rannte mir buchstäblich unter dem Hintern weg. Eine junge Studentin nahm mir das Tier zweimal in der Woche ab. Sie ritt sehr ordentlich und war froh und dankbar, dass sie umsonst reiten konnte. Im Laufe der Jahre freundeten wir uns an. Oft saßen wir zusammen
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