Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
bei den Bahngleisen?«
    »Das Mädel, das nach seinem Kopf sucht? Mein Vater erzählt manchmal von ihr und ihrer Mutter, und er sagt nichts Gutes über sie. Andererseits sagt er über niemand was Gutes, außer über Jesus. Ich bin jedenfalls ein paar Mal nachts da gewesen, und ich kann dir sagen, es ist ganz schön gruselig.«
    »Und, hast du den Geist gesehen?«
    »Nee. Aber angeblich sieht er aus wie eine Lichtkugel, die rumhüpft.«
    »Ich bin da an so einem Kriminalfall dran«, sagte ich. »Anscheinend hat er irgendwas mit diesem Mädchen zu tun.«
    »Was für ein Kriminalfall?«
    Ich beschrieb ihm kurz, worum es ging.
    »Von dem abgebrannten Haus der Stilwinds hab ich schon gehört. Mein Daddy hat ein paar Mal davon erzählt. Früher hat er gelegentlich für die Stilwinds gearbeitet, was halt im Garten anfiel und so. Aber ich wusste gar nicht, dass das Haus hier hinterm Autokino gestanden hat.«
    »Damals gab es das Autokino noch nicht. Lauf auf dem Nachhauseweg mal zu den Bäumen da hinten und schau nach oben. Da wirst du staunen.«
    »Mach ich.« Richard ging, eine kratzende Hand in seinem Läusehaar.
    Ein paar Minuten, nachdem er weg war, kam Rosy Mae die Treppe hoch. Seit jenem Abend, an dem sie zerschunden und verstört zu uns gekommen war, wohnte sie bei uns, und das Sofa war inzwischen ihr fester Schlafplatz geworden. Sie schenkte mir ein breites Lächeln und sagte: »Also ehrlich, die Mama von Mister Richard sollte sich den Bengel mal schnappen und ihm Petroleum übern Kopf kippen, damit er diese Viecher loswird. Oder sie soll ihm Laugenseife besorgen. Ich hab mir letztens welche selber gemacht, aus Schweinefett, Lauge und gekochten Pfefferminzblättern. Er kann gern ’n or’ntliches Stück von mir kriegen, wenn er’s auch benutzen tut.«
    »Richard ist schon in Ordnung«, sagte ich.
    »Er hat dir ’n Krankenbesuch abgestattet, nich wahr?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Schätzchen, du bist immer so furchtbar höflich. Hat er dir die Comics mitgebracht?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Dann muss er wohl in Ordnung sein, stimmt’s? Zumindest besser als wie sein Vater.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sein Vater, der tut immer ganz aufgeregt, wie so ’n aufgescheuchtes Maishuhn kurz vor Heiligabend.«
    »Aufgeregt?«
    »Jaja. Er hat’s mit der Religion, aber so wie der sie versteht, bringt sie niemand Segen außer ihm. Weißt du, vor zwanzig Jahren, da war er ’n richtig schicker Kerl. Aber damit isses vorbei. Der Mann hat sich von seiner ganzen Bitterkeit auffressen lassen.«
    »Weswegen ist er denn verbittert?«
    »Tja, das weiß Gott allein. Manche Leute sind wie Dattelpflaumen. Am Anfang sind sie bitter, dann schmecken sie ’ne kurze Zeit lang süß, und dann verfaulen sie im Handumdrehn.«
    Rosy Mae ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem Richard gesessen hatte, nahm einen der Comics von meinem Nachttisch in die Hand und blätterte darin herum. »So was hier kann ich ziemlich gut lesen, genau wie diese Filmzeitschriften. Aber in richtigen Büchern stolper ich immer wieder über Wörter, die mich komplett rausbringen.«
    »Ich kann dir helfen, besser lesen zu lernen«, schlug ich vor.
    »Meinst du wirklich?«
    »Ja, na klar.«
    »Ich glaub nich, dass ich dafür genug Grips in der Birne hab.«
    »Doch, natürlich hast du das.«
    Rose Mary strahlte. »Na ja, v’leicht kann ich wirklich noch was lernen, wenn ich will. Hab ja schließlich auch gelernt, diese Zeitschriften zu lesen, oder etwa nich? Auch wenn ich manche Wörter überspringen muss. Bin zumindest so gut geworden, dass ich die Preise in den Geschäften weiß und so. Muss ich ja auch, damit der Weiße unten im Laden, Mister Phillips, mir nich zu viel abknöpft. Bei Farbigen tut er immer ’n bisschen mehr nehmen. Weil, wo wir ja durch die Hintertür einkaufen müssen, können wir natürlich auch nich wissen, ob er nich ’n höheren Preis draufschreibt, bevor wir’s sehn.«
    Rosy Mae kratzte sich den krausen Kopf.
    »Entweder hab ich mir Mister Richards Läuse zugezogen, oder ich bild’s mir bloß ein. Ich geh jetzt runter, wasch mir fix die Haare, und dann mach ich Abendessen. Soll ich dir ’n Teller hochbringen?«
    »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Tut’s nich. Und du sollst jetzt nich hier oben rumliegen und Mitleid mit dir selber haben. Is ja bloß ’n gebrochenes Bein. Andere Jungs, die können überhaupt nich laufen und werden’s auch nie können. Das wird schon wieder. Bald bist du wieder gesund. Bist ’n feiner weißer Junge mit ’nem

Weitere Kostenlose Bücher