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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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keine Farbe. Nur noch das Grün.«
    »Malen Sie zu Hause auch?«
    »Hab bloß die Hütte angestrichen, in der ich wohne. Letzte Woche.«
    »Haben Sie eine Familie?«
    »Hatte mal eine Frau, früher, als ich noch bei den Indianern war. War auch ’ne Indianerin. Hübsches Ding, nur ’n bisschen stämmig. Sie hat die Pocken gekriegt und ist dran gestorben. Dann hatte ich noch ’ne andere Frau, ’ne Farbige. Tally hieß die. Wir hatten ’ne Tochter zusammen. Tally ist mit ’m hellerhäutigen Nigger durchgebrannt und hat meine Tochter Helen mitgenommen. Danach hab ich das mit dem Heiraten aufgegeben.«
    »Wohnen Ihre Frau und Ihre Tochter hier in der Nähe?«
    »In Mineola wohnen die. Helen hat inzwischen auch ’n Ehemann und Kinder. Ihr Mann behandelt sie gut. Arbeitet irgendwie bei der Eisenbahn.«
    »Sie wissen ganz schön viel über sie.«
    »Ich seh immer mal wieder nach ihr. Meine Enkelkinder sind acht, vier und zwei. Drei Jungs. Hab sie immer nur von Weitem gesehn.«
    »Vielleicht sollten Sie ihnen mal Hallo sagen.«
    »Helen würde sich wohl nicht grade freuen, mich zu sehn. Sie glaubt, ich hätt ihre Mutter geschwängert und wär dann abgehauen. Dabei war’s ihre Mutter, die mich verlassen hat, nicht umgekehrt. Aber das kauft sie mir bestimmt nicht ab ... na ja, ich mach mal lieber weiter, der Tag wird schließlich auch nicht länger.«
     
    Drinnen setzte ich mich an den Tisch und nahm wieder mein Buch zur Hand, aber ich las nicht. Ich beschloss, mir ein Glas Tee zu holen, aber kaum stand ich mit den Krücken auf und wollte rüber zum Kühlschrank, da war Rosy Mae schon aufgesprungen. Ihre Zeitschriften verschwanden schneller in ihrer Tasche als ein verängstigtes Gürteltier in seinem Loch.
    »Was brauchst du denn, Stanley, Schätzchen? Tee? Lass nur, ich hol ihn dir.«
    »Musst du nicht«, widersprach ich.
    »Ich weiß«, antwortete sie und zwinkerte mir zu. »Aber ich hör grad das Auto von deinem Daddy vorm Haus.«
    Ich grinste und setzte mich zurück an den Tisch. Sie schenkte mir Eistee ein und stellte einen leuchtend gelben Teller mit den übrig gebliebenen Keksen vor mich hin.
    »Du verrätst niemand, dass ich diesem Nigger Kekse und Tee gegeben hab, oder?«
    »Da ist doch nichts dabei.«
    »Aber dein Daddy tät sich bestimmt nich drüber freuen.«
    »Ich sag’s nicht weiter.«
    Und tatsächlich, wenige Sekunden später hörte ich die Haustür gehen, und Callie, Mom und Daddy stürmten lachend herein. Sie waren mit unzähligen Tüten beladen, die sie im Wohnzimmer aufs Sofa warfen.
    Mom, einen kleinen braunen Beutel voller Fettflecken in der Hand, kam in die Küche und begrüßte uns, Callie und Daddy folgten ihr. Gut gelaunt erzählte Mom: »Du glaubst ja gar nicht, was für Schnäppchen wir bei K-Woolens gemacht haben! Wir haben alles Mögliche für die Schule gekauft, auch in deiner Größe. Ich weiß ja, dass du nicht gern einkaufen gehst, deswegen hab ich dir ein paar Jeans und Hemden mitgebracht. Morgen fahren wir noch mal los und gucken nach Schuhen für dich. Du brauchst dringend ein Paar Turnschuhe und ordentliche Halbschuhe. Vielleicht besorgen wir dir auch einen Wintermantel. Die sind gerade im Angebot.«
    »Für mich haben wir auch einen Mantel gekauft«, warf Callie ein, »obwohl man bei dem Wetter eigentlich gar nicht an den Winter denken mag. Aber ich hab einen richtig schönen Mantel gefunden, der ist hinten ein bisschen ausgestellt – ich zeig ihn dir nachher. Und ich hab so süße Anziehsachen gekriegt! Und Mom hat auch was für sich gefunden. Sie hat sogar Daddy dazu gebracht, sich eine schöne Hose, ein Hemd und ein Paar Schuhe zu kaufen, und dann sind wir im Drugstore essen gegangen.«
    Daddy grinste schief. Er trug den typischen abgekämpften Ausdruck eines Mannes zur Schau, der sehr viel mehr eingekauft hatte, als seinen Bedürfnissen entsprach – die meinen Bedürfnissen sehr ähnlich waren: bescheiden bis gar nicht vorhanden.
    Daddy warf einen Blick auf mein Tarzan-Buch und fragte: »Und, wird Tarzan von den Affen verschleppt?«
    »Nein, Sir. In dem hier kommen Dinosaurier vor.«
    »Dinosaurier? Anscheinend hab ich nicht den leisesten Schimmer, worum es bei Tarzan geht.«
    »Ich hab dir was mitgebracht, mein Schatz«, sagte Mom. »Einen leckeren Hamburger und Pommes frites vom Drugstore. Für dich ist auch was dabei, Rosy Mae.«
    »Danke schön, Ma’am.«
    Mom stellte die fettige Papiertüte vor mir auf den Tisch. Ich machte sie auf, holte den Hamburger und die Pommes

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