Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
bringen muss, würdigt ihr keines Blickes, aber bei einem älteren Kerl mit Corvette und dickem Geldbeutel legt ihr euch plötzlich ins Zeug.«
Callie hob eine Augenbraue. »Er hat eine Corvette?«
»Siehst du«, seufzte der Verkäufer.
»War nur ein Scherz«, sagte Callie. »Wie heißt du?«
»Timothy Shaw. Meine Freunde nennen mich Tim.«
»Ich bin Callie Mitchel. Das ist mein Bruder Stanley.«
»Freut mich ... Wenn nicht grade Mittagszeit wäre, würde ich euch auf eine Limo einladen. Kommt mal am frühen Morgen oder am späten Nachmittag, dann spendiere ich eine Runde, wenn keiner zuschaut.«
Da es noch nicht einmal zwölf war und um uns herum gähnende Leere herrschte, nahm ich an, dass Timothy uns für dumm verkaufte. Callie dachte bestimmt dasselbe, aber sie ließ sich nichts anmerken. Sie fuhr fort, ihn zu bezirzen.
»Das ist lieb von dir, Tim. Aber ich will noch mehr über Mr Stilwind wissen.«
»War ja klar. Er färbt sich die Haare, weißt du. Für sein Alter sieht er gar nicht schlecht aus, aber er färbt sie sich.«
»Wie alt ist er denn?«
»Mitte dreißig, würde ich sagen.«
»Das ist doch nicht alt.«
»Und ob! Außerdem hat er eine Freundin. Und er war schon mal verheiratet.«
»Hat er Kinder?«
»Ich glaube nicht, aber seine Freundin ist ungefähr so jung wie du.«
»Ist sie hübsch?«
»Du bist hübscher. Aber ja, sie ist hübsch. Was willst du denn eigentlich von ihm? Ich bin noch zu haben, weiß und einundzwanzig, hab einen schöne Schlitten und immer ein bisschen Geld in der Tasche. Außerdem, wir zwei beide, wir brauchen doch nichts weiter als den Mond.«
»Meinst du?«, fragte Callie.
»Na, aber sicher.«
»Gehört Mr Stilwind nicht auch noch das Kino nebenan?«
»Ihm gehört so einiges. Da drüben ist er ziemlich oft. Seine Freundin hat früher an dem Imbissstand gearbeitet. So hat er sie kennengelernt. Sie war Ballkönigin an der Highschool oder Cheerleader – oder beides, weiß nicht so genau. So ein junges Mädel mit so einem alten Knacker – kannst du dir das vorstellen?«
»Wenn ich mir Mühe gebe ...«
»Komm schon, Kleines, wie wär’s mit uns beiden?«
»... dann kann ich mir alles Mögliche vorstellen, Timothy.«
»Ich hab gute Aussichten, Süße. Nächstes Jahr geh ich aufs College, wenn ich genug Geld zusammen hab.«
»Was willst du denn werden?«
»Ich will meinen Abschluss machen und meinen eigenen Betrieb aufmachen.«
»Und was für einen Betrieb, Tim?«
»So weit bin ich noch nicht mit meinen Überlegungen. Aber eins steht fest: Ich werd nicht ewig Limo verkaufen.«
Nach dem Mittagessen ging ich das Zeitschriftenregal im hinteren Bereich des Drugstores durch, kaufte ein paar neue Filmmagazine für Rosy und ein paar Comics für mich.
Dann spazierten wir zu dem Kino hinüber, das James Stilwind gehörte, dem Palace . Besser gesagt, Callie spazierte, und ich humpelte.
»Dieser Tim mag mich, stimmt’s?«, fragte Callie.
»Scheint so.«
»Er ist irgendwie niedlich.«
»Wenn man auf Pappmützen steht. Oder auf Pappnasen.«
»Vielleicht ist da wirklich mal eine Limonade für mich drin, oder ein Eisbecher. Aber du hast recht. Er ist eine ziemliche Pappnase.«
»Und dann noch diese Locke!«
»Die Locke fand ich eigentlich ganz süß«, sagte Callie.
Da tauchte Chester Whites Straßenkreuzer neben uns auf. Chester fuhr an den Bordstein heran, hielt, rutschte auf die Beifahrerseite und öffnete die Tür. Die Pomade in seiner Schmalztolle schimmerte blau im Sonnenlicht. »Callie! Wie geht’s?«
Callie gab keine Antwort.
»Na, Kumpel«, sagte er zu mir. »Was ist denn mit deinem Bein passiert?«
Ich antwortete auch nicht.
»Ist dein Alter immer noch sauer auf mich, Callie?«
»Ja. Und ich auch. Ich hab gehört, was du mit all den anderen Mädchen gemacht hast, und Jane ... tja, ihretwegen hab ich ganz schön Ärger gekriegt. Glaube ich zumindest.«
»Ja, ich hab’s mitbekommen.«
»Ach ja?«
»Jane hat mir erzählt, dass sie dich damit in Schwierigkeiten bringen wollte. Sie mag dich nicht. Die anderen Mädels mag sie auch nicht. Verflucht, sie mag niemanden. Nicht mal ihr Hund will mit ihr spielen, außer wenn sie sich ein Schweinekotelett um den Hals bindet.«
»Du spielst doch mit ihr. Muss sie sich dafür auch was um den Hals binden?«
»Manchmal.«
»Glaub ich gern.«
»Hey, sie hat die Teile ihrem Bruder geklaut und Seifenwasser reingefüllt. Das fand sie lustig.«
»Schön, dass sie sich amüsiert hat.«
»Ich finde es
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