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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Arbeit fehlen, sind Sie gefeuert. Ich hab für Sie gelogen. Ich hab ihm gesagt, Sie wären krank ...«
    »Hab ich drum gebeten, dass du für mich lügst?«
    »Nein. Ich ...«
    »Ich brauch niemand, der für mich lügt. Weder einem Weißen gegenüber noch sonst irgendjemand. Ob ich bei der Arbeit aufkreuze oder nicht, ist ganz allein meine Angelegenheit. Und dieser ganze Detektivscheiß, den kannst du vergessen. Damit sind wir durch.«
    »Ich verstehe Sie nicht, Buster. Was hab ich denn ...«
    »Geh einfach.«
    »Buster ...«
    Er packte ein Buch, das neben dem Bett lag, und warf es nach mir. Es klatschte hinter mir an die Wand und fiel raschelnd zu Boden. Ich riss die Tür auf und trat hinaus. Schwere Regentropfen fielen schräg auf die Veranda, und es war so finster wie in einer mondlosen Nacht. Nub lag immer noch dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Als ich ihn rief, schlug er mit dem Schwanz auf den Bretterboden.
    Ich schloss die Tür und starrte in die nasse, windgepeitschte Dunkelheit. Vor mir konnte ich den Verlauf der Straße erkennen, aber nicht besonders gut. Zu viel Regen, zu viele Tränen. Ich wartete, bis es blitzte, und im Blitzlicht sah ich, wo die Straße lag. Und ich sah noch etwas anderes. Nub erstarrte neben mir und knurrte.
    Jemand stand auf der anderen Straßenseite. Im kurzen Aufflackern des Blitzes hatte ich nicht erkennen können, ob es ein Schwarzer oder ein Weißer war – nur dass er einen Hut aufhatte, dass dieser Hut vom Regen eingedrückt war und ihm ins Gesicht hing und dass Wasser von der Krempe troff.
    Ich steckte zwischen Hammer und Amboss. Bei Buster konnte ich nicht bleiben, aber ich wollte auch nicht unbedingt herausfinden, wer da auf der anderen Straßenseite stand. Offensichtlich war es jemand, dem es nichts ausmachte, im Unwetter zu stehen und zu warten.
    Als das nächste Mal ein Blitz die Welt erhellte, stand dort niemand mehr. Also gut, dachte ich. Er war weitergegangen. Vielleicht glaubte er, ich würde mich ins Haus zurückziehen. Vielleicht dachte er auch überhaupt nichts. Vielleicht war es gar nicht Bubba Joe, sondern nur irgendjemand, der hier unterwegs war.
    Das war ein guter Gedanke. Die Vorstellung flößte mir Mut ein.
    Nachdem der Blitz erloschen war und sich die Dunkelheit wieder wie eine Haube herabsenkte, holte ich tief Luft, fasste mir ein Herz und trat von der Veranda herunter, hinein in den Wind und den Regen. Es war schwer, gegen die Böen anzukommen. Kaltes Wasser rann mir in den Nacken. Nach wenigen Sekunden klebte meine Kleidung an mir, als wäre sie von innen mit Leim bestrichen. Ich merkte, wie Nub sich an meine Beine drückte.
    Ich schaffte es, der Seitenstraße zu folgen, bis ich auf der backsteingepflasterten Hauptstraße war. Dann bog ich Richtung Innenstadt ab. Alles, woran ich mich orientieren konnte, waren die gelegentlichen Blitze und die Backsteine, die ich unter meinen Schuhen spürte.
    Ich wusste, wenn ich den weißen Teil der Stadt erreichte, würde Mr Phillips uns in seinen Laden lassen. Nub durfte mit hinein, weil er gut erzogen war.
    In Gedanken bei Mr Phillips’ Geschäft, war ich noch nicht allzu weit gekommen, als ich mit Schrecken feststellte, dass die Backsteine unter mir, an die ich mich gehalten hatte, verschwunden waren. Stattdessen lief ich über das Gras, das neben der Straße wuchs. Es musste die Straßenseite sein, die zum Bach führte, denn der Regen hatte den Bach anschwellen lassen, und das Wasser rauschte so laut, als würde es mir direkt durch den Schädel fließen.
    Ich stellte mich unter eine große Eiche – oder besser gesagt, ich stieß gegen einen Baum und blieb einfach stehen, drehte mich mit dem Rücken zum Stamm und zitterte im kalten Regen. Dann dachte ich darüber nach, was ich über Bäume und Gewitter gelernt hatte. Unter einem Baum war es am gefährlichsten, weil der Blitz meistens in der höchsten Erhebung einschlug. Aber ich hatte eine alte, breite Eiche erwischt. Die Blätter waren groß und wuchsen dicht, und sie schirmten den Regen ein wenig ab, sodass ich etwas sehen konnte. Nicht besonders weit, aber weiter, als wenn mir das Wasser in Strömen übers Gesicht floss.
    Ich überlegte mir, dass es bestimmt das Klügste war, im Schutz des Baumes abzuwarten, bis der Sturm nachließ oder weiterzog, aber als es wieder blitzte, musste ich meine Meinung ändern. Nur wenige Meter vor mir, den Hut tief im Gesicht, stand ein riesiger farbiger Mann; seine großen Hände hingen locker an den Armen wie Schinken an

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