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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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doch?«
    Meine Schwester hatte ihre Launen, genau wie mein Vater – aber das war nicht zu vergleichen mit Busters Ausbruch. Wenn ich mich heute daran erinnere, weiß ich, dass Busters Stimmungswechsel wahrscheinlich der Kombination von Alkohol und irgendeinem chemischen Ungleichgewicht geschuldet waren. Aber damals konnte ich nur denken, was viele Südstaatler zu der Zeit von einem eigentümlichen Freund oder Verwandten dachten: »So ist er eben.«
    Als wir wieder bei Buster ankamen, ließ er Nub mit hinein und befahl mir, meine Kleidung abzulegen. Dann wickelte er mich in eine Decke, und ich setzte mich auf einen Stuhl, während er seinen alten Ofen mit Holzscheiten und Altpapier anheizte. Als das Feuer heiß genug war, um Silber zum Schmelzen zu bringen, ließ er mich vor der offenen Ofentür sitzen, neben meinen Sachen, die er ausschüttelte und über eine Stuhllehne hängte. Ich dachte darüber nach, welchem Schicksal ich knapp entronnen war und welches Schicksal Bubba Joe ereilt hatte. Es war nicht nur die Kälte, die mich zittern ließ, sondern auch Furcht. Ich fühlte mich verletzlich, und ich schämte mich, weil ich in feuchter Unterwäsche dasaß.
    »Sind Sie sicher, dass er tot ist?«, fragte ich.
    »O ja, Stan, der ist tot. Ich erkenn einen Toten, wenn ich einen seh. Und das Vergnügen hatte ich schon ein paar Mal.«
    »Sollen wir es nicht der Polizei melden? Es war Notwehr.«
    »Schwer zu sagen, wie die Polizei reagiert, wenn ein Farbiger jemanden tötet. Selbst wenn dieser Jemand auch ein Farbiger war. Schwer zu sagen. Also sagen wir gar nichts. Okay?«
    »Ja, Sir. Sie haben mir das Leben gerettet, Buster.«
    »Wär nicht nötig gewesen, wenn ich mich nicht wie ein Idiot benommen hätte.«
    »Er muss mir von zu Hause bis hierher gefolgt sein. Wahrscheinlich hat er unser Haus überwacht, wegen Rosy Mae. Gestern Nacht hab ich ihn auch gesehen. Meine Schwester, ich und noch ein Freund haben uns rausgeschlichen, um nach Margrets Geist zu suchen, und wir haben ihn auch gesehen, so eine Art Licht, und dann ist Bubba Joe aufgetaucht. Er hat uns verfolgt. Aber wir haben ihn abgehängt, als wir vor einem Zug quer rübergerannt sind, sodass er auf der anderen Seite bleiben musste.«
    »Du wusstest, dass er sich da draußen rumtreibt?«
    »Ja, Sir.«
    »Und du bist trotzdem hergekommen, um mir wegen der Arbeit Bescheid zu sagen?«
    »Ja, Sir.«
    »Du kleiner Narr.«
    Ich ließ den Kopf hängen. Ein paar Augenblicke verstrichen, dann sagte Buster beinahe fröhlich: »Dieses Licht bei den Bahngleisen, das hab ich schon mal gesehen. Das ist kein Geist, Junge.«
    »Was ist es dann?«
    »Weiß ich nicht. So was Ähnliches ist mir früher mal in Marfa, Texas, untergekommen. Aber was auch immer das ist, ein Geist ist es nicht. Muss wohl irgendein Gas sein oder so was. Teufel, ich hab keine Ahnung. Aber es ist kein Geist.«
    »Sie haben ihn umgebracht, Buster. Er ist tot.«
    »Jepp. Mausetot. Früher oder später hätte er Rosy drangekriegt, oder einen von euch. Außer vielleicht deinen Daddy. Das ist ein Teufelskerl, dein Daddy.«
    »Das ist das erste Mal, dass Sie was Gutes über ihn sagen.«
    »Ich hab eigentlich auch noch nie was Schlechtes über ihn gesagt.«
    »Stimmt.«
    »Pass auf. Ich respektiere ihn für das, was er ist: ein guter Vater. Das war ich nie. Er sorgt für euch. Er ist zäh, und das weiß die ganze Stadt. Die Weißen bei euch, und die Farbigen hier auch. Jeder kennt deinen Daddy, Junge.«
    »Woher?«
    »Die Männer wissen einfach Bescheid. Ich kann dir auch nicht sagen, woher. Liegt vielleicht an seinem Auftreten. Wobei ich natürlich nicht glaube, dass er für Farbige besonders viel übrighat.«
    »Ich weiß nicht. Er hat Rosy Mae geholfen, und er hilft ihr immer noch. Er sagt manchmal was Schlimmes, aber er tut meistens was Richtiges.«
    »Da hast du vermutlich recht. Du blutest doch nicht, oder?«
    »Nein. Er hat mich bloß angestarrt. Als hätte er sich überlegt, wie er es in die Länge ziehen kann.«
    »Das wär jedenfalls typisch für ihn gewesen. Einmal war er in eine Messerstecherei bei der alten Sägemühle verwickelt, und mit dem Nigger hat er sich alle Zeit der Welt gelassen. Hat bestimmt fünfzig Mal auf ihn eingestochen, ihn fast umgebracht, auch selber viele Schnittwunden abbekommen, aber das hat ihn gar nicht gejuckt. Dachte wohl, dass er den Messerkampf jederzeit gewinnen konnte.«
    »Gegen Sie hat er nicht gewonnen.«
    »Ich hab ihn überrascht, und ich hab ein paar Japsentricks

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