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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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beim Faulenzen erwischt worden war. Sie lächelte, doch dann erstarb ihr Lächeln. Eingehend musterte sie Callie. »Was is denn mit dir passiert, Miss Callie?«
    »Passiert?«, sagte Callie. »Ach, gar nichts. Du meinst, wegen der Bluse? Die hab ich mir eingerissen. Mit der Hand hängen geblieben. Blöde Geschichte. Ich ...«
    »Miss Callie, lüg mich nich an.«
    »Rosy, was erlaubst du dir!«
    »Du bist von ’nem Mann geschlagen worden.«
    »Was redest du da, Rosy? Ich finde nicht ...«
    »Für so was hab ich ’n Gespür, schließlich hab ich das selber jahrelang mitgemacht. Guck doch bloß, wie du dastehst. Du bist völlig von der Rolle, und das seh ich dir an.«
    »Rosy, sei nicht albern.«
    Rosy trat vor und gab Callie einen leichten Klaps auf die Wange. Erstaunt schaute Callie auf und legte sich die Hand ans Gesicht.
    »Ich will’s nich noch schlimmer machen, als wie’s ohnehin schon is, aber das musste jetzt mal sein. Du darfst das nich für dich behalten. Mach nich denselben Fehler wie ich, Mädchen. Kein Mann hat das Recht, dich zu schlagen. Frag nur deine Mama. Dein Daddy tut sie schließlich auch nich so behandeln. War’s dieser Drew?«
    Plötzlich brach Callie in Tränen aus. »Nein«, sagte sie.
    »Hat er dich geschlagen?«, fragte Rosy und nahm sie in den Arm.
    »Er war es nicht«, sagte ich. »Es war James Stilwind.«
    Rosy nickte und führte Callie zum Sofa. Daddy kam ins Zimmer, schaute zu mir, dann zu Callie und Rosy auf der Couch. Rosy hielt Callie im Arm, wiegte sie sanft hin und her und sagte: »Das wird schon wieder, Schätzchen.«
    »Was zum Henker ist passiert?«, fragte Daddy.
    Niemand antwortete ihm.
    Dann kam Mom herein. »Warum weint Callie denn? Callie?« Sie lief zum Sofa hinüber und setzte sich auf Callies andere Seite. Callie ließ Rosy los und fiel Mom um den Hals.
    »Erzähl mir, was los ist, Callie«, sagte Mom.
    »Hör auf deine Mutter«, verlangte Daddy. »Nun sag schon ... wer hat dir die Bluse zerrissen? Callie?«
    »Lassen Sie sie, Mister Stanley« sagte Rosy. »Sie braucht Zeit.«
    Daddy schaute mich an. »Was ist passiert, Stanley? Erzählt mir auf der Stelle, was los ist. Einer von euch macht jetzt den Mund auf, aber sofort.«
    »Mister Stanley, Sie gehn besser mal raus«, sagte Rosy.
    »Was?«, fragte Daddy. »Redest du mit mir?«
    »Ich schau Sie doch an, oder schiel ich vielleicht?«
    »Also, Rosy ...«
    »Jetzt hören Sir mir mal zu. Ich bin mächtig dankbar für alles, was Sie für mich getan haben. Aber gehör ich zu dieser Familie dazu oder nich?«
    Daddy suchte nach Worten und fand keine.
    »Ja, Rosy, das tust du«, schluchzte Callie unter Tränen.
    »Natürlich«, sagte Mom.
    »Na ja ... schon«, sagte Daddy.
    »Dann zählt meine Stimme auch was, oder?«, sagte Rosy.
    »Sicher«, antwortete Dad, »aber ...«
    »Kein Aber. Sie haben hier erstmal nix verloren. Das is ’ne Frauensache. Wir erzählen’s Ihnen dann, wenn Sie’s wissen müssen.«
    »Wenn jemand meinem kleinen Mädchen was getan hat, dann muss ich das sofort wissen«, protestierte Daddy.
    »Das finden Sie noch früh genug raus«, sagte Rosy. »Und jetzt gehn Sie.«
    Daddy schaute zu mir. »Und was ist mit ihm?«, fragte er.
    »Er weiß es ohnehin schon«, antwortete Rosy. »Raus mit Ihnen.«
    Völlig überrumpelt drehte Daddy sich um und ging aus dem Zimmer. Ich hörte, wie er die Veranda betrat.
    »Callie?«, sagte Mom. »Sagst du uns jetzt, was los ist? Was ist denn passiert?«
    Callie erzählte ihr die ganze Geschichte.
    Als sie fertig war, sagte Mom: »Du weißt, was dein Vater tut, wenn wir ihm das erzählen, und da kommen wir nicht drum herum.«
    »Er prügelt James windelweich«, sagte Callie.
    »Vielleicht schlägt er ihn sogar tot«, sagte Mom. »Und das ist es, was mir Sorge bereitet. James Stilwind hat dich nicht vergewaltigt. Aber er hat dich bedrängt.«
    »Ich hab mit ihm geflirtet.«
    »Frauen flirten nun mal«, sagte Mom. »So ticken wir eben. Junge Mädchen in deinem Alter flirten die ganze Zeit. Mit sechzehn fängt es an, und dann hört es so schnell nicht wieder auf. Das geht weiter, bis dir der Charme einrostet.«
    »Oder einfach ganz abstirbt«, warf Rosy ein.
    »Es tut mir so leid«, jammerte Callie.
    »Du hast nix verbrochen, Schätzchen«, sagte Rosy und tätschelte Callie den Rücken.
    »Rosy hat recht«, sagte Mom. »Aber wer weiß, was dein Daddy noch verbrechen wird. Ich bin mir nicht sicher, wie ich ihm das am besten beibringe. Weißt du was, geh du mal hoch und wasch

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