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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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ohnehin nichts Besonderes gewesen mit so einem Armeleutekind wie dir. Du bist genauso billig wie euer Autokino. Kleines Flittchen. Höchstens für ’ne schnelle Nummer gut.«
    Callie gab ihm eine Ohrfeige und trat ihm kräftig auf den Fuß. Er krümmte sich vor Schmerzen und versuchte ein »Schlampe« herauszupressen, aber es klang nicht sehr überzeugend.
    Dann packte Callie mich am Arm, und wir liefen hinaus, die Treppe hinunter und in die Eingangshalle, während sie sich die Bluse vor der Brust zusammenhielt.
    Als wir am Imbissstand vorbeikamen, sagte das Mädchen dahinter: »Na, Kleine, er mag’s gern wild, stimmt’s? Und ich verrat dir noch eins. Was er einmal bekommen hat, das will er kein zweites Mal. Ich spreche aus Erfahrung.«
    Die Cola von vorhin stand noch immer auf dem Tresen. Callie schnappte sich das Glas und schüttete ihr den Inhalt ins Gesicht. »Wundert mich nicht, dass du aus Erfahrung sprichst«, sagte sie, und dann traten wir hinaus in den Sonnenschein.
    Wir gingen zum Auto, und als sie hinterm Steuer saß, stützte sie die Stirn aufs Lenkrad und fing zitternd an zu weinen.
    »Hat er dir wehgetan, Callie?«
    »Er hat mir die Hand in die Bluse gesteckt, das Schwein. Ich hab ihm das Gesicht zerkratzt und ihm zwischen die Beine getreten. Das Schlimme ist, Stan, dass er wirklich dachte, ich würde das mit mir machen lassen. Davon ist er die ganze Zeit ausgegangen, seit er mich zum ersten Mal gesehen hat. Wahrscheinlich hab ich mir das selbst zuzuschreiben, so wie ich mit ihm geschäkert hab. Aber ich wollte doch nie wirklich ... na, du weißt schon. Ich hab bloß geflirtet. Ich ... ach Stan. Ich hab keine Ahnung, was ich da gemacht hab.«
    »Was auch immer«, sagte ich und berührte sie am Arm, »dazu hatte er kein Recht.«
    Sie setzte sich auf, wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht und fuhr uns nach Hause.
     
    Als wir in der Einfahrt standen, versuchte Callie sich zu sammeln.
    »Wirst du es Daddy erzählen?«, fragte ich.
    »Besser nicht. Er soll nicht wissen, dass ich ...«
    »Du hast nichts falsch gemacht. Er hat bloß angeboten, dir den Projektor zu zeigen.«
    »Dieser Projektor ist mir piepegal. Ich wollte mit ihm zusammen sein ... aber doch nicht so ... Er ist erwachsen, und er ist süß, und ich dachte, na ja ... ich weiß auch nicht, was ich mir gedacht hab. Oje, Drew wird das gar nicht gefallen. Dabei mag ich Drew echt gern. Ich hätte nicht mit solchen Spielereien anfangen sollen. Ich wollte dir beweisen, dass ich ihn zum Reden bringen kann. Aber doch nicht um jeden Preis. Es war ... ich fühle mich so ... schäbig.«
    »Du bist gar nicht schäbig. Du hast dich gegen ihn gewehrt, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »War er überrascht?«
    »Und wie. Er hat versucht mich zu küssen, und ich hab ihn nicht gelassen. Viele Jungs haben schon versucht, mich zu küssen, das war also nicht so schlimm, und ich hab’s ihm auch nicht übel genommen. Ich hab bloß so was gesagt wie ›na, na, na‹. Dann hat er mir die Hand auf die Brust gelegt, und ich hab ihm eine geknallt. Das hat ihm nicht gefallen. Er hat zurückgeschlagen, und ich hab ihm das Gesicht zerkratzt. Da hat er meine Bluse gepackt, die Knöpfe aufgerissen und gesagt, er würde schon kriegen, was er will. Aber ich hab ihn getreten, und er ist in die Knie gegangen. Als du gekommen bist, hat er sich gerade wieder aufgerappelt. Ich hätte mich auch noch weiter gewehrt, aber dann war ich trotzdem ganz erleichtert, dass du da warst und mir das erspart geblieben ist. Der Raum war ja fast schalldicht. Deswegen hat er mich dorthin mitgenommen. Wenn ich geschrien hätte, hätte es nicht das Geringste gebracht. Niemand hätte mich gehört, außer jemand hätte direkt vor der Tür gestanden. Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist, Stanley.«
    »Ich auch.«
    Callie holte ein Taschentuch aus dem Handschuhfach und rubbelte sich die schwarzen Streifen ab, die ihr über die Wangen liefen. Dann wischte sie den verschmierten Lippenstift fort. Sie trug frisches Makeup auf und zupfte die Bluse zurecht, wo die Knöpfe fehlten.
    »Ich hätte nie gedacht, dass es mal so kommen könnte«, sagte sie.
    »Ich auch nicht.«
    »Seh ich einigermaßen normal aus?«
    »Bis auf die Bluse ... und du siehst ein bisschen aus wie ein geprügelter Hund. An deiner Stelle würde ich direkt aufs Zimmer gehen.«
    »Das hab ich auch vor.«
     
     
    Drinnen saß Rosy auf dem Sofa und las eine Zeitschrift. Als wir hereinkamen, stand sie schuldbewusst auf, weil sie

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