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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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dir das Gesicht. Und wenn du wieder runterkommst, hab ich mir was überlegt.«
    »Und ich back dir ’n paar Kekse«, sagte Rosy. In unserer Familie war Essen immer ein Allheilmittel.
    Callie ging hinauf, und Mom sagte zu Rosy: »Ich habe nicht schlecht Lust, Stanley gleich alles zu erzählen, damit er sich diesen Kerl vorknöpft.«
    »Aber Sie wissen, dass Mister Stanley ihn dann umbringt, oder?«
    »Ja, das ist mir klar.« Mom drehte sich zu mir. »Du warst sehr mutig, Stanley. Ich bin stolz auf dich. Dein Daddy wird auch stolz auf dich sein.«
    »Callie hat ihn abgewehrt«, antwortete ich. »Eigentlich sah James sogar ziemlich erleichtert aus, als ich zur Tür reinkam. Wahrscheinlich war ich seine letzte Rettung.«
    Rosy und Mom lachten. Dann sagte Mom: »Ich muss es Stanley so beibringen, dass er nicht gleich den erstbesten Knüppel nimmt und diesen Stilwind suchen geht. Irgendwas muss ich mir einfallen lassen.«
    »Sie können ihm ’ne Lüge auftischen«, sagte Rosy. Die beiden sahen sich an, fingen an zu kichern und fielen sich in die Arme.
    »Glaub bloß nicht, dass ich mir das nicht schon überlegt hab«, sagte Mom. »Manchmal müssen Lügen sein. Und vielleicht ist das jetzt so eine Situation. So wie ich die Sache sehe, ist die Geschichte gelaufen. James Stilwind hat sein Fett weg, und Callie geht es gut.«
    »Was der einmal gemacht hat, macht er bestimmt wieder«, gab Rosy Mae zu bedenken.
    Mom, die Rosys Hand hielt, sagte: »Da hast du natürlich recht. Wer weiß denn schon, ob es nicht auch schon vorher passiert ist?«
    »Allerdings. Alt genug isser ja, der hat schon auf so einigen Mädels seine Griffel gehabt«, sagte Rosy.
    »Ich glaube, Lügen ist keine Lösung«, sagte Mom.
    »Sie können die Geschichte ’n bisschen schönfärben«, schlug Rosy vor.
    »Wie kriegt man so eine hässliche Angelegenheit schön?«
    »Das weiß ich auch nich, Miss Gal.«
    Mom lachte. »Hast du Stanleys Gesichtsausdruck gesehen, als du zu ihm gesagt hast, dass er hier nichts verloren hat und rausgehen muss?«
    Rosy kicherte. »O ja. Hat ihm gar nich gefallen, oder?«
    »Nein«, sagte Mom, »aber mir schon.«

20
     
    Vorerst erfuhr Daddy überhaupt nichts, und es dauerte ziemlich lange, bis Callie von oben herunterkam. Sie hatte ein Bad genommen und trug Jeans, ein weites Männerhemd und kein Makeup.
    Daddy saß am Tisch und trank Kaffee. Als er sie sah, sagte er: »So, junge Dame. Willst du mir jetzt vielleicht erzählen, was passiert ist?«
    Callie nickte und setzte sich zu ihm an den Tisch. Mom und Rosy fuhrwerkten mit einer Teigmischung herum. Dann goss Rosy den Teig aus der Schüssel auf ein Blech und schob es rasch in den Ofen.
    »Sie wird dir alles erzählen, Stanley«, sagte Mom. »Aber du musst ruhig bleiben. Das ist wirklich wichtig. Hinterher können wir darüber sprechen, was wir unternehmen sollen. Aber du darfst nicht gleich aufspringen und wütend davonlaufen.«
    »Jemand hat dir etwas angetan, stimmt’s?«, fragte Daddy, der bereits halb aufgestanden war.
    »Genau das meinte ich«, sagte Mom. »Setz dich, Stanley.«
    »Mir geht es gut«, versicherte Callie.
    »Es hat dich doch niemand ... sie haben dich nicht ...«
    »Nein, Daddy. Mir fehlt nichts.«
    Daddy ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. Callie hatte gerade angefangen zu erzählen, als es an der Tür klopfte.
    Rosy machte auf. Ich hörte sie sagen: »Bitte, Sir. Kann ich Ihnen helfen?«
    Von draußen erklang eine Stimme, die ich nicht kannte. Dann wieder Rosy: »Ja, Sir. Die Mitchels wohnen hier ... oh. Warten Sie ’n Augenblick.«
    Rosy kam zurück in die Küche. »Mister Stilwind. Der ältere, sein Daddy. Steht vor der Tür.«
    »Dann bitte ihn herein«, sagte Mom.
    Mein armer Vater schaute einfach nur verwirrt.
    Mr Stilwind sah viel älter aus, als ich erwartet hatte. Und genau wie Buster mich gewarnt hatte, sah man nicht allen Ungeheuern ihre Bosheit an. Freundliche Falten durchzogen sein Gesicht, seine Wangen waren leicht gerötet, und auf seiner Stirn glänzte ein Hauch von Schweiß. Mr Stilwind war groß und gut gekleidet: Er trug einen Anzug mit Weste, Krawatte und Hut, den er abnahm, als er durch die Tür trat. Seine Schuhe waren poliert, und als er meinem Vater die Hand hinstreckte, sah ich, wie sie sich im Glanz eines seiner feinen Lederschuhe spiegelte.
    »Irving Stilwind«, sagte er. »Sie wissen vermutlich, warum ich hier bin?«
    »Nein«, antwortete Daddy.
    »Doch«, sagte Mom. »Sie sind hier, um darüber zu reden, was Ihr Sohn

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