Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
ja.«
»Ach, der ist mir doch egal.«
Hoffnung glomm in Tims Augen auf. »Ich kümmer mich mal um euer Essen.« Er nahm die Bestellung mit nach hinten zum Koch und schob den Zettel in die Durchreiche.
Wir aßen unsere Hamburger, Tim war übertrieben aufmerksam, und Callie blieb sehr freundlich und lächelte viel. Es sah aus, als würde Tim jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Jetzt konnte er hoffen, eine echte Chance zu haben. Er gab uns sogar eine Cola aus.
Als wir fertig waren und hinausgingen, fragte ich Callie: »Magst du ihn denn auf einmal?«
»Eigentlich nicht. Ich wollte nur nicht, dass er uns ins Essen spuckt. Und so haben wir eine Coke umsonst bekommen.«
»Ich glaube, dir gefällt es einfach, mit ihm zu spielen.«
»Da könntest du recht haben.«
Callie ging zum Kinoeingang und las sich die Uhrzeiten für die Doppelvorstellung durch. Dann kam sie zurück und sah auf ihre Uhr. »Es fängt in einer knappen Viertelstunde an. Hast du Lust? Wenigstens den ersten Film angucken?«
»Tim hat dich wieder an James Stilwind erinnert, stimmt’s? Tja, der interessiert mich nicht mehr.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber die Vorfreude auf den nahenden Schulanfang und der jüngste Zusammenstoß mit Mr Chapman hatten meine Neugier deutlich abgeschwächt.
»Letztens hast du noch darauf gebrannt, mehr über ihn rauszufinden«, sagte Callie.
»Ich weiß. Hab meine Meinung eben geändert ... Eigentlich willst du den Film ja gar nicht sehen, Callie. Ich kenn dich doch. Du willst dich an Stilwind ranmachen.«
»Nur ein bisschen«, sagte sie. »Da fällt mir ein, die Anfangszeit hab ich mir gemerkt, aber ich hab vergessen, was überhaupt läuft.«
Es lief Die Hexenküche des Dr. Rambow mit einem meiner Lieblingsschauspieler, Boris Karloff. Und der Hauptfilm war Im Zeichen des Bösen mit Charlton Heston und Orson Welles. Im Nachhinein betrachtet eine etwas merkwürdige Zusammenstellung, aber das Palace hatte die Kunst des Doppelprogramms eben noch nicht ganz perfektioniert. Die Hexenküche des Dr. Rambow wäre eher etwas fürs Autokino gewesen.
Wir zeigten die Freikarten vor, die James uns gegeben hatte, und sobald wir drin waren, hielt Callie nach ihm Ausschau, doch er war nirgends zu entdecken.
Ich spürte ihre Enttäuschung. Aber die Vorstellung, ganz umsonst einen neuen Film schauen zu dürfen, brachte sie schnell auf andere Gedanken. Außerdem genossen wir die klimatisierte Luft; draußen knallte schon wieder die Sonne vom Himmel.
Wir saßen auf unseren Plätzen und warteten darauf, dass das Licht ausging und der Film begann. Leise fragte ich sie: »Hast du wirklich einen Blauhäher erledigt?«
»Ja«, sagte Callie. »Glaub mir, ich hab echt nicht damit gerechnet, dass ich ihn treffen würde. Ich wollte es einfach nur mal probieren. Ich liebe Baseball, und ich wollte wissen, wie gut ich werfen kann. Dabei weiß ich gar nicht, ob es Baseball für Mädchen gibt. Mom hat gesagt, im Krieg gab es Frauenbaseball. Sie hat sogar ein Spiel gesehen. Aber Drew meinte, Mädchen spielen kein Baseball, weil es ein körperbetontes Spiel ist und Mädchen sich dabei verletzen könnten. Das ist totaler Blödsinn. Jungs können sich auch dabei verletzen.«
»Mädchen sind schwächer als Jungs«, sagte ich.
»Du bist schwächer als ich.«
Da hatte sie recht. Also hielt ich lieber den Mund.
Dann erlosch das Licht. Sie zeigten eine Wochenschau, was zum Kinderprogramm am Samstagmittag gehörte. Es war eine alte Sendung, noch aus Kriegszeiten. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum sie ausgerechnet diese zeigten. Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist ein Satz des Sprechers: »... die Japsen auf Iwojima kommen aus ihren Löchern gekrochen ...«
Dann waren die Zeichentrickfilme dran: Road Runner und Karl der Kojote . Callie und ich amüsierten uns. Als Jugendfilm lief dann Die Hexenküche des Dr. Rambow.
Im Anschluss wurde Im Zeichen des Bösen gezeigt. Im Gegensatz zu heute genügte eine einzige Eintrittskarte für all diese Vorführungen. Man konnte einfach sitzen bleiben, sich die Kindervorstellung und die Hauptvorstellung ansehen, die meistens aus zwei Filmen bestand – diesmal allerdings nicht, weil Im Zeichen des Bösen so lang war –, und wenn es wieder von vorne anfing, konnte man alles noch mal gucken, was immer sie auch zeigten, bis das Kino schloss. Eine wunderbare Sache, wenn man einen freien Tag und 35 Cent übrig hatte.
Nach dem Film verschwand ich in der Herrentoilette. Als ich
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