Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
was ihm zum Werk von Montanus irgendwie zu passen schien; und die Präsenz eines Orts »Knickhagen, Df. in Preussen, Rgbz. und Kr. Kassel, 180 E. 4 Mühlen« war Beweis dafür, daß man nicht geneigt gewesen war, Orte wegen mangelnder Größe zu verschmähen. Aber vielleicht gebrach es den Redakteuren des Lexikons einfach an jener profunden Ortskenntnis, die Montanus zweifellos besessen hatte.
In dem Exemplar von
Die Helden und Bürger und Bauern am Niederrhein in den letzten sechs Jahren des vorigen Jahrhunderts und unter der Fremdherrschaft
lag ein Artikel der ›Kölnischen Zeitung‹ vom 20. November 1926, zerfaltet und vergilbt: zum 50. Todestag von Vinzenz von Zuccalmaglio (Montanus). Der latinisierte »Bergische« war, wie Matzbach dort las, am 26.11.1806 in Schlebusch geboren, hatte eine Dame aus Bensberg geheiratet, in Hückeswagen als Notar gearbeitet und war schließlich über den Rhein nach Grevenbroich gezogen, wo er am 21.11.1876 starb. Für ihn, den jemand als einen der »größten und besten rheinischen Idealisten vergangener Tage« bezeichnet hatte, gab es dort angeblich ein Denkmal. Baltasar, dem jede Form des Idealismus suspekt war, beschloß, alles zu glauben und die Existenz des Denkmals nicht zu bezweifeln. Inzwischen war er ziemlich sicher, daß er in den nächsten Tagen nach Klitterbach fahren würde;
ein
exotischer Ort reichte ihm, Grevenbroich mußte nicht auch noch sein.
Mit derlei Zukunftsplänen befaßte er sich um so lieber, als gerade die Vergangenheit sich mit ihm zu befassen anschickte. Einige Zeit hatte er mit einer sowohl speziellen als auch besonderen Frau zusammengelebt, auf deren herrenhausähnlich ausgebautem Bauernhof im Vorgebirge, nördlich von Bonn. Hermine Päffgen, Holzschnitzerin, fertigte mit scharfer Klinge Portraits; mit anderen scharfen Klingen hatte sie sich an einem blutigen Abenteuer beteiligen müssen, in das er geraten war. *
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die Liebschaft währen zu lassen, und dem Entsetzen über die Faszination des Blutvergießens hatte sie schließlich gesagt, sie wolle nie wieder in die Lage kommen, etwas zu wollen, was sie nicht wollen dürfe; an der Seite des marodierenden Hobbydetektivs werde sich diese schiefe Lage aber nicht vermeiden lassen, also sei es besser, ihn von ihrer Seite zu entfernen.
Eine schmerzhafte Amputation – vermutlich für beide, sagte sich Baltasar, denn es war gut und intensiv gewesen. Er hatte gelitten und nahm an, daß es auch für Hermine herb gewesen sei. Er wußte es jedoch nicht, da er ein Ende mit Schrecken vorgezogen und die von ihr erwogene lose Beziehung nicht geknüpft hatte.
Und nun befürchtete er, der von ihr ausgestellte Laufpaß könne sich für ihn zum Spießrutenlaufpaß entwickeln; die hohle Gasse, durch die er zu laufen habe, mochte gesäumt sein von gräßlichen Schnitzwerken, die sein Gesicht besaßen. Hermine Päffgen hatte vor ein paar Tagen eine Ausstellung in einer Galerie des Kölner Westens eröffnet, und mehrere gemeinsame Bekannte hatten ihn angerufen, um auf Ähnlichkeiten zwischen ihm und etlichen Kunstwerken zu verweisen.
Das heißt, eigentlich befürchtete er dies keineswegs; im Prinzip war es ihm gleich, er hegte lediglich eine finstere Abneigung gegen die Aussicht, sein Gemüt oder überhaupt etwas Intimes indiskret behandelt zu sehen und möglicherweise aufgefordert zu werden, darüber zu reden. Was er auch nach heftigen Aufforderungen unterlassen würde.
Kurz vor Ladenschluß ließ er sich endlich dazu hinab, die Meldungen zu sichten, die das Mobiltelefon blähten. Ein Anruf eines weiteren Bekannten war dabei, die Ausstellung betreffend:
»Schau dir die Dinger mal an, Dicker; sind ein paar nette fette Figuren dabei mit gewissen Ähnlichkeiten, ha ha ha.«
Ferner gab es dort zwei Anrufe von Felix Yü – einer durch das Telegramm bereits erledigt, mit der allfälligen Bitte, am Flughafen abgeholt zu werden, und der erste mit der Anweisung, einer Dame namens Meyer-Bexbach (»mit e ypsilon«) gegenüber freundlich zu sein (»obwohl sie eine Doppelnamen-Tussi ist, aber dafür gibt’s ja im Fall Meyer mildernde Umschläge«), wenn diese vorsprechen sollte, weil sie nämlich möglicherweise das Antiquariat übernehmen und für den Bestand bar zahlen wolle.
Nachdem er den Laden für die Nacht eingewickelt und zu Bett gebracht hatte, aß er zwei Ecken weiter eine Portion Döner; dann entschloß er sich zu einem Taxi. Die Rarität namens Parkplatz würde, sagte er
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