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Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Titel: Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sich, an einem Donnerstagabend noch schwerer zu finden sein als sonst, vermutlich irgendwo zwischen Bergheim und Aachen.
    Als er gegen halb acht die Galerie betrat, war er der einzige Kunstbeflissene. Ein junger Mann, Sekretär der Galeristin – wie er ohne Wimpernzucken behauptete –, fragte, ob er ihm helfen könne; als Matzbach sagte, er wolle lediglich die Exponate der edlen Schnitzerin beäugen, erfuhr er, daß man die Künstlerin gegen neun Uhr erwarte.
    »Bricht mir das Herz«, sagte Baltasar, »aber so lange kann ich nicht verweilen.«
    Tonlos durch die Zähne pfeifend wanderte er durch die Räume und betrachtete die knapp hundert ausgestellten Stücke. Portraits von Leuten, die er nicht kannte; Portraits, die ihn vage an jemanden erinnerten; ein Triptychon, keineswegs als gewöhnlicher Flügelaltar verwendbar, mit derben Figuren bei derben Tätigkeiten während der Hochzeitsnacht nach einer bäuerlichen Massenhochzeit (dies jedenfalls seine Deutung); ein wunderbar genau gestalteter Fuchs, der triumphierend auf einer Gans hockte, diese aber eher zu begatten denn zu verzehren schien (so genau war die Darstellung aber nicht); und es gab auch einige Köpfe, Holzbüsten und ähnliche Werke, die man bei gutem oder bösem Willen und dichtem Nebel als Matzbäche hätte ansehen können.
    Nichts, was gegen die heilige Diskretion verstieße, sagte er sich; auch nicht der mit Baltasars Gesichtszügen ausgestattete lachende Buddha, eine kaum zwanzig Zentimeter große Schnitzerei aus gelblichem Holz, die er eben musterte, als sich hinter ihm jemand räusperte.
    »Gut getroffen, würde ich sagen.«
    Matzbach drehte sich nicht um. »Unschuldig, Euer Ehren«, sagte er. »Manchmal werden einem visuelle Kakophonien hinterhergeschmissen. «
    »Laß dich mal von vorn betrachten.«
    Er hatte die Stimme sofort wiedererkannt; in beinahe zwanzig Jahren hatten sich Höhen, Tiefen und Intonation kaum verändert. ›Drei große Liebschaften‹, dachte er, während er sich umzudrehen begann, ›und die mit klebrig Braunem verschmierte Hand von Fräulein Fortuna … Die dritte zerschnitzt mich, die zweite liegt unter der Erde, und die erste muß ausgerechnet hier auftauchen.‹
    Ariane Binder war nur unwesentlich gealtert. Das damals von beginnender Versilberung geadelte Blondhaar war inzwischen völlig grau, und sie trug es noch immer kurz. Die Anzahl der gröberen Schleifspuren, die die Zeit in ihrem Gesicht hinterlassen hatte, war geringer als die der Jahre – sie mußte 61 sein, sagte er sich, zwei Jahre jünger als er. Groß und immer noch schlank, als betriebe sie regelmäßig sportliches Fasten; einen Moment kam er sich dagegen vor wie ein feister Greis. Aber dann sagte er sich, daß er das schon immer gewesen sei, und: ›mit der Dauer des Währens schrumpft die Bedeutung des Seins‹.
    »Du hast dich eigentlich kaum verändert«, sagte Ariane.
    »Bei Kindern heißt das: Du bist aber groß geworden.«
    Sie lächelte und stupste mit sanftem Finger seine Bauchgegend. »Bei Baltasar könnte es heißen: Hast du etwa abgenommen?«
    »Ein Kilo mehr, ein Kilo weniger; man muß mit seinen Pfunden wuchern, auch wenn es keinen Zins abwirft. Was treibt dich in die Vorhölle der Kunst?«
    Ariane blinzelte schnell. »Die Ähnlichkeit gewisser Figuren läßt auf gründlichen Umgang schließen; das mit der Vorhölle darauf, daß es ein ebenso gründliches und unerfreuliches Ende genommen hat, ja? Ich bin rein zufällig hier. Was wären Galeristen und Künstler ohne Frührentner, die Zeit für so etwas haben?«
    Baltasar hörte keinerlei Bitterkeit in der Stimme, sah keinen Gram um die Mundwinkel; aber bei der mutmaßenden Suche nach diesen Empfindungen entdeckte er anderes. Dezentes Make-up, zum Beispiel, wie Ariane es früher verschmäht hatte, einen Hauch von Lippenstift, und blaßroten Lack auf den in beiger Vorzeit ungefärbten Nägeln.
    »Freiwillig?« sagte er. »Oder hat man dich freigesetzt – falls das der zur Zeit gängige Euphemismus ist?«
    Sie hob die Schultern. »Du weißt doch, wie das ist. Sie hätten alle gern Dreißigjährige, die wie fünfundzwanzig aussehen, für das Gehalt von Zwanzigjährigen arbeiten und die Erfahrungen von Siebzigjährigen einsetzen.«
    »Warst du bis zum Schluß bei der alten Truppe?«
    Ariane nickte. »Und du? Immer noch das Gleiche?«
    Baltasar versuchte sich an die genaue Bezeichnung des Industrieverbands zu erinnern, dessen Pressestelle Ariane geleitet hatte. Es gelang ihm nicht.
    »Ich bin

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