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Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Titel: Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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können, daß Goldstein ihn hier hat hängen lassen, bevor er im Bierkeller vergraben wurde.«
    Pater (demob.) Leonhard Mertens brachte das Pils, ein Weinglas und die Flasche. Geräuschlos entkorkte er und goß ein wenig ein.
    Matzbach schlürfte, kaute, schmatzte; dann sagte er: »Es konveniert; walten Sie. Und könnten Sie mir freundlicherweise einen Aschenbecher bringen?«
    Der Wirt blickte skeptisch drein. »Ich weiß nicht, ob Sie sich damit viele Freunde machen. Jedenfalls solange die essen. Aber – noch sind wir nicht in Amerika.« Er ging zum Tresen (wo zwei aktive Zigarettenraucher saßen), kehrte mit einem großen Aschenbecher zurück und zwinkerte. »Wohl bekomm’s.«
    Baltasar blinzelte Yü zu, zog eine Zigarre aus dem Etui, stand auf, hielt sie hoch, räusperte sich dröhnend und sagte: »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Zu meinem Bedauern leide ich an zwei seltenen Krankheiten, nämlich Omphalophobie zunebst einer Vitamin- und Chlorophyllallergie. Wenn beide gemeinsam auftreten, kann es zu Tobsuchtsanfällen kommen. Aus Rücksicht auf meine Umgebung und dem Rat meines Arztes folgend bekämpfe ich dies Risiko durch kontrollierte Einnahme naturreiner karibischer Rauchkrautblätter. Ich versichere Ihnen, daß sie keinerlei amerikanische Chemikalien enthalten. Ihrem Widerspruch sehe ich gelassen entgegen; Pardon wird nicht gegeben.«
    Er sah Lemberger grinsend aufblicken; andere schauten irritiert oder fragend. Als er sich setzte und die Zigarre anzündete, brach an einigen Tischen mittleres bis heftiges Gehuste und Gemurmel aus, das er zu ignorieren beliebte. Dann stand eine hagere, hochgewachsene Asketin auf, die mit zwei weiteren unterernährten Damen die Welt von etlichen Salaten kuriert hatte, und kam zu ihm.
    Sie beugte sich vor – beinahe vertraulich, wenn nicht gar zutraulich, wie Baltasar fand – und sagte in einem stentorischen Flüstern: »Ich bin Ludmilla Fischer, die hiesige Apothekerin. Was Sie da eben gesagt haben, finde ich sehr interessant. Kommen Sie doch, wenn Sie mögen, morgen mal in die Apotheke; wir haben Notdienst. Ich würde mich gern mit Ihnen über Ihre Allergien unterhalten. Ich glaube, ich wüßte da ein paar Kräuter.«
    Matzbach erhob sich halb, in einer Art Verbeugungs-Verklappung. »Sie sind zu freundlich, gnädige Frau. Wenn ich es übers Herz bringe, mir dies und mich Ihnen anzutun, werde ich Sie mit Vergnügen aufsuchen.«
    Es war, als habe jemand einen großen Knebel entfernt oder einen kollektiven Stöpsel gezogen. Plötzlich wurde an allen Tischen geredet. Matzbach war jedoch ziemlich sicher, daß dies weniger an seiner Dreistigkeit lag als daran, daß die Phase der bewußt betriebenen, konzentrierten Nahrungsaufnahme beendet war. Mit artistischer Geräuschlosigkeit geschwungene Bestecke wurden beiseite gelegt, hier und da klirrten auch Gläser aneinander. Als ein paar Leute Zigaretten anzündeten, sagte sich Matzbach, daß ihre trotzige Haltung, garniert mit herausfordernden Blicken, wahrscheinlich nur in seiner Einbildung stattfand.
    Während er und Yü aßen, fand eine allgemeine Vermengung statt. Etliche Gäste verließen ihre Tische, setzten sich an andere oder standen, redend und trinkend, vor dem Tresen, wo sich bald eine Doppelreihe bildete.
    »Ich bin mal gespannt.« Yü schaute auf die Uhr. »Die Tagesschau läuft, gleich beginnt das Abendprogramm.«
    »Ich glaube, von den Snobs hier interessieren sich nicht viele für Politik, oder wenn, dann sehen sie die Tagesschau im Dritten Programm.«
    »Meinst du, die wollen alle den Abend hier in der Kneipe verbringen?«
    Matzbach kicherte. »Wo kriegen sie sonst einen Chinesen zu sehen?«
    Yü blickte zur Tür, wo eben ein paar neue Gäste erschienen. »Einheimische, die zu Hause Kartoffeln gegessen haben und jetzt vor dem Abendprogramm fliehen«, sagte er. »Wo bleibt denn der Doktor?«
    »Dem wird’s schon früh genug kommen. Und was das Abendprogramm angeht – ein Bekannter von mir,
angeblich
Schriftsteller, will seit Jahren eine Geschichte schreiben, die so anfängt: In den alten Zeiten, als das Wünschen längst nicht mehr geholfen hat, aber im öffentlich-unrechtlichen Fernsehen das Programm für Nicht-Analphabeten noch vor Mitternacht begann.«
    »Würde ich glatt lesen. Warum schreibt er es nicht?«
    »Habe ich doch gesagt – angeblich Schriftsteller.« Matzbach schob den Stuhl zurück und stand auf. »Wollen wir uns unters Volk mischen?«
    »Meinst du, das Volk hält das aus?«
    »Es muß. Jede

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