Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
Baltasar war nicht sicher, ob das Zucken des linken Auges ein Zwinkern sein sollte.
»Stimmt, mach ich noch nicht lange. Und das bringt uns jetzt zu Ihnen.«
Matzbach runzelte die Stirn. »Inwiefern? Genießen Sie es, daß Sie mich jetzt verbuddeln könnten, was Ihnen vorher nicht möglich gewesen wäre?«
Lemberger musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Ich hätte einen Sarg, der Ihnen wie maßgefertigt passen müßte. Aber das ist es nicht. Ich bin hier in der Nähe aufgewachsen; ein Onkel mütterlicherseits hat bis zu seinem Tod das Geschäft betrieben. Zwei Jahre Pause, dann hab ich es übernommen.«
Die Pause, die er machte, war eine merkwürdig betonte Form von Schweigen.
»Ich tue Ihnen jetzt einfach den Gefallen und sage: Und?« sagte Matzbach.
»Und vorher war ich in Köln, bei der Kripo.«
»Aha.«
»Da bin ich ausgeschieden, weil ich irgendwann keine Lust mehr hatte, mit ansehen zu müssen, wie die ach so progressiven Damen und Herren Richter alles, was die Kollegen und ich mühsam einfangen, am nächsten Tag wieder laufen lassen. Vorher« – er kniff ein Auge zu – »hatte ich gelegentlich auch mit Bonner Kollegen zu tun. Zum Beispiel Hauptkommissar Freiberg.«
Mit einem schwächlichen Lächeln sagte Matzbach: »Ei, Genosse Freibier.«
»Der mir schon mal von einem gewissen Matzbach erzählt hat.«
In diesem Moment erschienen – hilfreich, weil es Baltasar der Notwendigkeit enthob, sofort etwas Kluges zu antworten – Dr. Fleißner, zwei Damen und zwei Herren. Die Ankunft löste bei den übrigen Trinkern eine merkwürdige Reaktion aus, die konditionierter Reflex zu sein schien.
Und zwar ereignete sich ein allgemeines Grüßen, Grinsen, Zappeln, Fuchteln, Zähneblecken sowie weitere Bekundungen, die auf entsetzliche Wichtigkeit aller – oder eines der – Ankömmlinge schließen ließen. Baltasar konnte nicht sehen, wer zu wem sagte: »Hallo, nett, Sie alle zu sehen.« Fleißner, in einem leichten Leinenanzug samt Flower-Power-Krawatte, ging als erster hinein. Ihm folgten eine stämmige, offenbar muntere Brünette im Designer-Dirndl, eine schmale, ätherische Blondine in lückenhaften schwarzen Spitzen, ein graumelierter Herr in graumeliertem Sommerflanell und ein Mann mit Seemannskrause, rosa Rüschenhemd und Jeans.
»Der Doktor und das liebe Vieh«, sagte Matzbach. »Prächtiger Aufmarsch, aber wozu das Zappeln und Salutieren?«
Lemberger schnalzte. »Das galt dem Grauen. Der Herr Abgeordnete des Kreises, Lothar Pittrich, der sich vor den Wahlen hier noch einmal umtun will.«
»Welche Partei?«
»Sehen Sie einen großen Unterschied?«
»Eigentlich nicht. Austauschbare Manövriermasse für Parteistrategen. Aber nicht alle beißen Wildschweine oder verscheuchen Panzer, wo nie welche waren.«
»Ach, haben Sie dieses Zeug gelesen?«
»Ungern.« Matzbach zündete seine abermals erloschene Zigarre wieder an; paffend sagte er: »Aber er scheint ja beliebt zu sein. Oder man hält ihn für wichtig.«
»Wer sich für unersetzlich hält, sollte häufiger auf Beerdigungen gehen. Die anderen, übrigens, waren Frau Fleißner, die Brünette, dann die ebenso schöne wie schleimige Radegunde Sager und ihr Zuträger, Komplize und Beschäler Camillo Herms alias Hermes. Die beiden, die auch die Wahlkampfportraits für Herrn Pittrich verbrechen.«
Baltasar hob das Glas. »Auf Ihr Wohl, Monsieur. Hermes ist der Fernsehmann, nicht wahr, und – wie sagten Sie? Die ebenso Schöne wie Schleimige? Gefällt mir ausgezeichnet. Frau Radegunde, triefende Feder auf allen Boulevards. Nach ihrer Prosa hatte ich etwas Fettes, Kleines, Derbes erwartet, unbehindert durch Geschmack und gebremst durch Ignoranz.«
»Im echten Manne steckt ein Kind; das will spielen. Vielleicht steckt in dieser schicken Journalistin ein trüber Trampel mit Absichten, die wir besser nicht ergründen sollten. – Aber eigentlich waren wir bei Ihnen.«
»Ach, lassen Sie uns doch bei der noch Unerwähnten verweilen. Ich finde, die junge Mutter des entführten Knäbleins dürfte ruhig minder munter wirken.«
Lemberger leerte sein Bier. »Erzählen Sie mir jetzt, was Sie hier wirklich wollen, oder hol ich mir erst ein Bier?«
Matzbach lachte. »Der zweite Teil der Frage scheint vorauszusetzen, daß ich den ersten auf jeden Fall mit ja beantworte; sehe ich das richtig?«
»Ich glaub schon.«
»Na schön. Dann holen Sie sich Ihr Bier; sonst verdursten Sie mir noch, ehe ich fertig bin.«
13. Kapitel
Jeder Liebende kämpft, und Cupido hat
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