Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
ihren Kaffee und stand auf. »Ich hab was zu tun. Ihre Zigarre rauche ich zu Ende, wenn Sie mal wieder vorbeikommen.«
Baltasar wirkte offenbar ein wenig zerstreut; nachdem sie ein paar hundert Meter Richtung Norden gefahren waren, sagte Yü halblaut:
»Na, so versonnen, Dicker? Hat’s dir gefallen?«
»Was genau?«
»Der Hund und die Herrin. Und der Knecht vielleicht auch, oder all das in einer anderen Reihenfolge. Das Geschirr nicht zu vergessen.«
»Die Farben. Brrrr.« Matzbach schüttelte sich. »Und die Formen.«
Yü lachte. »Also, zumindest eine der Formen hat dir doch gefallen, wie ich dich kenne.«
»Solltest du die Herrin des Hofs meinen …«
»Müßte doch genau deine Kragenweite sein.«
Matzbach zupfte an seinem Hemd. »Kragenweite, bah. Ich glaube, die pferdehegende Kastellanin hat eine andere Hemdengröße.«
»Na und? Kein Ausschlag deiner körpereigenen Wünschelrute?«
Baltasar versuchte, streng dreinzublicken. »Ich muß doch sehr bitten. Erstens sowieso, und zweitens passiert alten Männern so etwas nicht mehr.«
»Ernsthaft?« Yü blickte ihn von der Seite an. »Du hast das jetzt schon mehrmals gesagt, so oder so ähnlich. Nix mehr?«
»Du solltest nicht in meinem Privatleben wühlen; du weißt doch, wie auskünftig ich da bin.«
Yü seufzte leise. »Weiß ich, und deine vermeintliche Seele, die du viel zu billig verkauft hast, interessiert mich auch gar nicht. Ich wollte nur wissen, wie das so ist. Ich meine, irgendwann erreiche ich ja vielleicht auch mal dein biblisches Alter. Da ist es dann besser, man weiß, was einen erwartet.«
»Laß dich überraschen.«
»Na gut. Was halten wir denn von dem Arrangement da drin, mit den beiden?«
»Was meinst du?«
»Wer läßt sich heutzutage denn noch Knecht nennen, es sei denn, er wäre Witzbold oder Beischläfer?«
»Mir fällt gerade noch was anderes ein.« Baltasar spitzte den Mund. »Bei den Farben und Formen … Würde da nicht der türkisfarbene Seidenschal von Goldstein wunderbar passen? Mit grellroten Phalli, Vulvae und Banknoten?«
Yü blickte starr geradeaus. »Manchmal wäre ich gern farbenblind.«
Sie hatten das Ende des Tals erreicht. Matzbach fuhr an den Straßenrand. »Laß mal die Karte sehen. Kommen wir irgendwie außen rum zurück nach Klitterbach?«
Yü faltete das Meßtischblatt wieder auf. »Hm«, sagte er. »Nicht genau zu sehen; wir sind am Rand des bedruckten Papiers.«
»Ach, dann versuchen wir’s doch einfach. Was ist denn das Leben ohne Mysterium?«
Yü pfiff ein paar Melodiefetzen. Als sie den Kamm des nördlichen Waldhügels hinter sich gelassen hatten, hörte er damit wieder auf und sagte:
»Knecht Recht … Was ist das für eine kantapper-kantapper-Geschichte?«
»Ein Märchen, die Geschichte vom dicken fetten Pfannkuchen. Der Pfannkuchen ist entwischt, wie Knecht Recht, und rollt kantapper-kantapper die Straße hinab. Dabei begegnet er lauter Geschöpfen, die ihn fressen wollen und sich auf sich selbst reimen. Knecht Recht, zum Beispiel, und Kuh Muh, Maus Raus, derlei. Kennst du das denn nicht?«
»Vergib einem armen Chinesen, daß er nicht von allen Feinheiten der hiesigen Überlieferung weiß.« Dann stutzte er. »Wieso ist Knecht Recht entwischt?«
»Fällt dir noch ein anderer Knecht ein – ein beinahe sprichwörtlicher?«
»Meinst du Knecht Ruprecht? Ist aber zu früh für den.«
»Ruprecht Tugendhaft«, sagte Matzbach. »Ich habe das Foto gesehen, in Händen des Vaters – braune Haare, Grübchen im Kinn, und nicht zu vergessen die schiefen Schneidezähne oben.«
»Scharfes Gebiß, wenn er lächelt, ja.« Yü summte; dann sagte er: »Und nach den Auskünften des Vaters, hattest du erzählt, bastelt er an alten Autos herum. Die Hände waren voller Ölflecken, der Overall auch. Aber was macht der hier, und warum will er nicht gefunden werden?«
Matzbach nickte nachdrücklich. »Und wieso verschwindet ein Kölner Detektiv, den der Vater auf den Sohn angesetzt hat, ausgerechnet kurz nachdem er sich aus Klitterbach gemeldet hat?«
»Findest du das interessant?«
»Ich glaube, diese ganze Affaire beginnt mich zu amüsieren.«
»Du warst schon anspruchsvoller.«
»Ich weiß. Und vergeßlicher.«
»Wieso dieses nun wieder?«
Matzbach schnitt eine Grimasse. »Früher hätte ich noch ein paar zweifellos unwichtige, aber kluge Fragen gestellt. Zum Beispiel die nach der Herkunft des entsetzlichen Porzellans und dem Prinzip der Farbgebung. Sowie auch unkluge, aber wichtige Fragen.«
Yü
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