Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
blendender Sonnenschein schien den Platz zu fluten – »ziehen einige von den Stadtmädels gern mit ihr herum und sammeln alles mögliche.«
Mertens verzog das Gesicht. »Die Bergische Fliegenpilz-Fraktion ist auch dabei«, sagte er. »Ersatz für Heroin oder Koks oder Crack, oder was gerade bei denen aus der Kölner Schickeria so angesagt ist.«
»Wofür sind Apotheken schließlich da?« Yü schob den Stuhl zurück, als ob er aufstehen wollte, und sah Matzbach an. »Ich glaube, wir haben das Lokal lange genug aufgehalten. Sollten wir nicht …?«
»Wir sollten.« Baltasar betrachtete seine halbgerauchte Sumatra. »Alsbald; laß mich noch ein paar Züge nehmen. Ich muß gestehen, ich finde das alles ganz reizvoll hier. Was mich zu der Frage bringt, wie Sie beide hergekommen sind – falls Ihnen das nicht aufdringlich erscheint.«
»Erscheint es, aber das macht nichts.« Die Wirtin trank ein paar große glucksende Schlucke. »Was mich angeht – ich bin hier geboren. Auf einem der Höfe weiter draußen.«
»Dann kennen Sie sich doch bestimmt mit der örtlichen Geschichte aus; Legenden, Überlieferungen, so etwas, oder?«
»Nicht besonders gründlich. Suchen Sie was Bestimmtes?«
»Ach, dies und das. Die Grubenbahn zum Beispiel. Die alten Schächte – was da wo früher gefördert wurde, warum man sie zugemacht hat, wie viele Leute im Lauf der Jahre reingefallen und verschwunden sind, derlei.« Er lachte. »Interessiert mich einfach; ich male nicht nur, ich sammle auch abseitige Geschichten.«
Sie schaute ihren Mann an, mit schmalen Augen. »Wer könnte so was wissen?«
Mertens blies die Wangen auf. »Keine Ahnung. Vielleicht die Heimatforscher, die die Grubenbahn hegen. Aber die sitzen nicht hier, sondern weiter oben, Richtung Wipperfürth.«
»Ist auch nicht so wichtig. Außerdem hab ich Sie von Ihrer Lebensgeschichte abgebracht.«
»Nicht viel zu erzählen. Wie gesagt, ich bin von hier. Die übliche Geschichte: Schule, Jurastudium, abgebrochen, als ich leichtsinnig genug war, mich schwängern zu lassen. Wir haben dann geheiratet; mein Mann … mein erster Mann ist Anwalt in Gladbach, der Sohn streunt in Berlin herum. Irgendwann die übliche Scheidung. Das Lokal hier hat mein zweiter Mann vor zehn Jahren übernommen; dann ist er gestorben.«
»Seitdem gehört es ihr.« Mertens lächelte seine Frau an. »Ich bin lediglich Zubehör, könnte man sagen. Ich kam durch einen jener Zufälle her, an die man erst glaubt, wenn sie einen selber treffen. Als ich beschlossen hatte, mich aus Orden und Kirche zu verabschieden, war ich mit einem uralten Käfer unterwegs, um alte Freunde, Klassenkameraden, so was, zu besuchen. Ich habe nicht unbedingt Rat gesucht – eher Einfälle. Was ich mit meinem Leben anfangen könnte …«
»Jesuiten haben doch meistens eine gute Ausbildung, abgesehen von Theologie und Priesterstand«, sagte Baltasar.
»Stimmt; bei mir war’s Mathematik und Philosophie. Aber wissen Sie, ich wollte ganz raus, auch aus der Schule. Außerdem wurden ja keine Lehrer eingestellt. Aber selbst wenn. Ich hätte immer noch das Gefühl gehabt, mit einem Bein im alten Leben zu stecken. Jedenfalls – ich war unterwegs, ohne Geld, mit dem uralten Wagen, und der ist hier auf dem Platz stehengeblieben und regte sich nicht mehr. Im Fenster des Lokals habe ich einen Zettel gesehen – ›Aushilfskellner gesucht‹. Das war’s.« Er hob die Schultern und breitete die Arme aus, als ob er sich entschuldigen wollte.
»Herzlichen Glückwunsch nachträglich.« Matzbach erhob sich, verneigte sich vor Mertens und lächelte der Wirtin zu. »Und Ihnen – tja, was? Respekt für Langmut, nehme ich mal an. Das einzige Lokal am Ort zu schmeißen mit nichts als einem ehemaligen Jesuiten …«
Sie winkte ab. »Kein Problem; die gründliche Ausbildung sorgt dafür, daß er vielseitig verwendbar ist.« Sie lachte. »Aber wir sind nicht das einzige Lokal; es gibt hier noch zwei, weiter drüben.« Sie deutete auf irgendwas jenseits der westlichen Front des Platzes. »Da gibt’s aber nur Bier und Mettbrötchen.«
»Erwarten Sie in den nächsten Tagen zahlreiche Gäste? Ich meine, weil wir noch nicht wissen, wie lange wir bleiben werden.«
»Kein Problem.« Mertens stand nun ebenfalls auf. »Richtig voll wird’s hier eigentlich nur an Brücken-Wochenenden; Pfingsten und Himmelfahrt und so. Oder wenn jemand was feiert und Gäste bei uns einquartiert.«
»Sehr schön.« Baltasar legte den Rest seiner dünnen Zigarre in den
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