Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
Aschenbecher. »Dann wollen wir uns mal über die pittoresken Aspekte der Gegend hermachen. Gegend gibt’s ja hier genug. Ach, sagen Sie, eins noch. Gibt es besondere Käuze hier? Solche, die zum Beispiel auf wandernde Malergesellen schießen oder grundsätzlich keine Fremden mögen? Oder Fallen stellen, in denen Bären und Zugereiste verbluten?«
»Nicht, daß ich wüßte.« Mertens schaute seine Frau an. »Oder?«
Sie hatte ihren Kaffee ausgetrunken und stand auf; unter leicht hochgezogenen Brauen blickte sie Yü an, dann etwas länger Matzbach.
»Also, geschossen wird nicht. Es könnte aber sein, daß die Hiesigen, in den anderen Kneipen, mißtrauisch werden, wenn jemand zu viele Fragen stellt. Gilt auch für vermeintliche Maler.«
16. Kapitel
Wanderer, kommst du nach Sparta, verkünde dorten lieber nicht, was du hier gesehen hast – den empfindsamen Kerlchen könnte grausen.
B ERGISCHER C ICERONE
Als sie wohlgerüstet den dreieckigen Platz betraten, war dieser leer.
»Enttäuschend«, sagte Yü. »So, wie du ausstaffiert bist, hättest du mindestens einen blinden Bettler als Publikum verdient.«
Baltasar fand, der Schlapphut überlappe ihn wie die Schwinge eines schwarzen Albatros (›vielleicht war er, bevor er Hut wurde, mit einem alten Matrosen unterwegs zu Baudelaires Beerdigung‹, sagte er sich), und die ebenfalls schwarze, aber sommerlich luftige Pelerine rieb sich mit leisem Schmatzen an der großen Korbtasche. Er hatte sämtliche Malerutensilien hineingestopft, einschließlich des demontierten Stativs, und trug das Gepäckstück über der rechten Schulter.
Yü begnügte sich mit einem großen Block und gebündelten Stiften, die aus der Brusttasche seines Hemds ragten; er ging ein paar Schritte hinter Matzbach.
»Possierlich seht Ihr aus, Gevatter«, sagte er. Seine Stimme klang, als habe er Schwierigkeiten damit, einen Kicheranfall zu unterdrücken.
»Danke, mein Gutester. Aber laß uns ernst bleiben, solange man uns sehen könnte. Denn nur, wenn wir ernst scheinen, wird man uns ernstnehmen.«
»Ich nehme an, du erwartest jetzt eine geschliffene Sentenz über Schein und Sein, aber dein Anblick betäubt mich.« Dann gluckste Yü und sagte: »Also sprach Konfuzius: Der Narr betäubt, indem er zu scheinen vorgibt, was er wirklich ist; der Weise dagegen scheint zu sein, was vorzugeben Mangel an schauspielerischer Begabung ihn hindert.«
»Gut gegeben. Nicht, daß ich es verstünde.«
»Wozu auch?«
»Eben; das fragt man sich. Ferner fragt man sich, warum du meinst, es wäre förderlich, hinter mir herzugehen und mich rücklings zu begeifern.«
Yü machte ein paar schnelle Trippelschritte; als er Baltasar eingeholt hatte, sagte er: »Besser so? Und wohin des Weges?«
Sie hatten langsamen Schrittes den Platz einmal überquert, von der
Tränke
in einer Bogenlinie Richtung Kirche, dann in einer weiteren Bogenlinie nach links zur Hauptstraße; nun standen sie gewissermaßen am anderen Ende der abgeschnittenen Parabel, dreißig Meter links der
Tränke
.
»Wollen wir müßigen Fußes?« sagte Matzbach; mit dem Kinn deutete er in die Richtung, aus der sie am Vortag gekommen waren: zum Ortsausgang und zum Domizil von Dr. Fleißner. »Ob der Abgeordnete sich in ärztliche Obhut begeben hat, zur Übernachtung?«
Yü knurrte etwas.
»Bitte?«
»Ich knurrte gerade eine Art Frage. Nämlich: Wohin willst du insgesamt? Die anderen Kneipen sind weiter drüben.« Mit dem Daumen wies er schräg hinter sich.
Matzbach blieb stehen und schaute sich um. Der zur Kirche an der Spitze laufende linke Schenkel des Dreiecks, die Hauptstraße, kam ihm mit sonntäglich geschlossenen Geschäften und unbelebtem Trottoir abweisend vor. Unmittelbar vor der Kirche ging links eine Gasse ab, die in eine weitere, zur Hauptstraße fast parallel verlaufende Geschäftsstraße mündete. Dort sollten sich, den Auskünften der Wirtsleute nach und denen der Gäste am Vorabend, die anderen Kneipen und allerlei weitere Läden befinden – so auch die von den schönen zugereisten Menschen betriebenen Alternativunternehmen wie Töpferei, Handlesebude, Kräuter-Emporium, Öko-Bräu und Meditationssaal.
»Mir deucht, wir sollten einen größeren Bogen gehen und uns den interessanteren Liegenschaften von der anderen Seite nähern. Man sähe so mehr vom Ort, was den Recherchen förderlich sein möchte.«
»Du redest gleichsam mit gespitzten Lippen. So klingt es jedenfalls; nicht, daß ich dich anzusehen wünschte.«
Baltasar
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