Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Titel: Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
kraftvoll gleitende, ästhetisch befriedigende Art der Fortbewegung des asiatischen Einzelkämpfers wurde selten bewußt eingeschaltet; sie ergab sich eher automatisch, wenn Yü sich bedroht fühlte oder Rachegedanken hegte.
    Matzbach keckerte leise. »Ruhig, Junge, niemand will dir was Böses. Sie alle wollen nur dein Bestes, und das wirst du bestimmt nicht herausrücken.«
    »Es gibt Bedrohungen«, sagte Yü düster, »deren Furchtbarkeit nicht in der Aggressivität liegt, sondern in der alles fressenden breiig-bräsigen Dummheit.«
    »Rattengift her?«
    »Man möchte eine Runde Schierling schmeißen, aus Opalpokalen zu trinken.«
    »Kein schöner Wort in dieser Zeit, mein Lieber; Opalpokale! Fürwahr.«
    Unter einem Torbogen, von rechts, kam eine in wallende indische Gewänder gehüllte Gestalt auf Plateau-Sandalen. Die Frau mochte Anfang vierzig sein; sie war so schlank, daß ihr langes dunkelbraunes Haar, sorgsam gegürtet, vermutlich genügt hätte, sie vollständig zu umfangen. In der linken Hand hielt sie eine Lyra, an deren Saiten sie mit der rechten zupfte. Sie streifte Yü und Matzbach mit einem Blick, verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels, wandte sich zurück zum Hof und rief: »Lesbia, kommst du endlich?«
    Eine zweite Frau erschien, ähnlich gewandet, ebenso schlank und ätherisch, nur ein wenig kleiner. Auch sie verzog den Mund, als sie die langsam weitergehenden Männer erblickte. Matzbach fand die beiden arg elfenähnlich, sah ihnen hinterher, als sie mit schnellen Schritten überholten und davoneilten, und hörte mit einer Mischung aus Wohlgefallen und Zweifel die zweite sagen:
    »Bist du denn mit deiner chromatischen Fuge weitergekommen, Sweetheart?«
    Möglicherweise murmelte die Lyraspielerin eine Antwort; Baltasar hörte aber nur ihre etwas lautere Bemerkung, die einem entgegenkommenden, aber noch außer Hörweite schmachtenden Pärchen galt:
    »O Göttin, da kommen The Lone Ranger und Tunto. Komm, schlagen wir uns rechts in die Büsche.«
    Die Frauen verschwanden eilig in der Gasse, die nach Matzbachs Ortsempfinden zum dreieckigen Platz und zur Kirche führen mußte.
    »Ei wo laufen sie denn?« sagte Yü; er gluckste unterdrückt.
    »Wen meinen?«
    »Den Gegenverkehr.«
    Baltasar mußte mit einem gewissen Respekt zugeben, daß die Benennung, die die Frauen abgesondert hatten, kaum zu verbessern war. Der virile Partner trug mit Silbernieten beschlagene Stiefel, Krempeljeans, ein bis knapp oberhalb des Nabels offenes Westernhemd über haarloser Brust, einen dünnen Zorro-Schnäuzer und einen möglicherweise echten Stetson. Das ephebische Geschöpf, das seine linke Hand hielt, steckte in hellen Shorts, trug statt eines Gürtels eine orange Hüftschärpe und hatte ein kurzärmeliges weißes Hemd nicht etwa geknöpft, sondern so verknotet, daß es über den Brustwarzen Reibungshitze erzeugen mußte. Lippenstift – ebenfalls orange – und ins Grünliche spielende Lidschatten ergänzten das Ensemble höchst vorteilhaft.
    »Vorteilhaft für wen?« sagte er leise.
    »Ich nehme an, du hast ästhetische Gedanken gedacht«, sagte Yü. »Vergiß nicht, wie die Schönheit ist auch das Erogene im Auge des Beschälers.«
    Vor der zweiten Kneipe, die sie eben passierten, blieb Matzbach plötzlich stehen und deutete in den Hof auf der anderen Straßenseite.
    »Töpferei?« sagte er. »Töpfung? Vertopfung? Vom Biotop zum Biotopf? Ach, wenn man nur wüßte; man weiß so wenig.«
    Der von der Straße durch eine Ziegelmauer getrennte Innenhof zwischen zwei Häusern endete vor einem großen, halboffenen Schuppen. Unter dessen vorspringendem Dach und auf der Hoffläche standen runde, zylindrische, ovale, kantige Objekte, zwischen einem halben und zwei Meter groß, in allen Formen und natürlichen (sowie mehreren unnatürlichen) Farben: Amphoren, Blumentöpfe, irdene Frühbeete, glasierte Mülltonnen, ein aus Keramik-Patchwork bestehender Behälter zur Aufnahme von Sperrmüll, eine Art Hangar zur abschreckenden Bergung miniaturisierter UFOs …
    Die Menge und die merkwürdigen Beschaffenheiten der Töpferei-Erzeugnisse überforderten zunächst Baltasars Aufnahmevermögen; er sagte sich jedoch, daß er bei längerem Verweilen und gründlichem Hinschauen ohne Zweifel Bezeichnungen für all die UFOs (Unsägliche Form-Objekte) fände, wenn er wollte. Er bezweifelte allein sein Wollen.
    Yü, neben ihm stehengeblieben, stieß Luft durch die Schneidezähne aus. Vielleicht sog er sie auch ein; das Resultat war in

Weitere Kostenlose Bücher