Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
Aber« – er schüttelte den Kopf – »Gudrun telefoniert gerade mit ihr.«
»Armer Kleiner.« Wayne fuhr ihm über den krausen grauen Schopf. »Du solltest nicht mein Mitleid erregen.«
»Warum sollte er nicht?« Yü, eine Scheibe Graubrot in der Linken, blickte interessiert auf.
»Die Qualität der Beziehung könnte sich verändern«, sagte Wayne.
Matzbach gluckste. »Sie meint, daß bis jetzt alles rein unrein ist, unschuldig sexuell, weißt du …«
»Hab ich schon mal was von gehört.«
»… und daß Mitleid am Ende zur Erbsünde des Gefühls führen könnte, was dieses nette Verhältnis unnötig kompliziert machen würde.«
»Ich frühstücke jetzt lieber.«
Baltasar wandte sich an Wayne. »Herrin, wie sprach der edle Bauer? Heppner?«
Wayne goß sich ihren dritten Kaffee ein und ließ sich am Tisch auf einen Stuhl plumpsen. »Er sagt, wir können ohne weiteres auf sein Land und nach dem Schacht schauen. In der Nähe hat er vor ein paar Wochen Holz gefällt; ich habe aber nicht genau verstanden, welche Route durch den Wald er für die leichteste hält. Wir sollen uns bloß vorsehen, sagt er; da ist schon mal jemand reingefallen. Und wenn er sich richtig erinnert, braucht man mindestens zehn Meter Strick oder Leiter, um so was wie einen Boden zu erreichen.«
Ruprecht kam vom Hof herein; er ließ die Tür offen, und von draußen hörte man krakeelende Vögel und das Schlappen von Gandalf, der großen Durst zu haben schien.
»Morgen allerseits«, sagte Ruprecht. »Hat heute jemand Geburtstag oder so was?«
Alle sahen einander an; dann wurden sämtliche anwesenden Köpfe geschüttelt.
»Warum?« sagte Wayne.
Ruprecht ging zur Kaffeekanne. Über die Schulter sagte er: »Ich hab beim Räumen drüben eine Kiste mit Feuerwerk gefunden. Ich dachte, wenn jemand was Besonderes zu feiern hätte, könnte man heute abend eine kleine Knallerei machen. Oder morgen, oder so.«
»Vielleicht fällt uns noch was ein.« Wayne zwinkerte Matzbach zu, der sich ihr gegenüber niederließ. »Baltasar könnte eine neue Theorie aushecken oder sogar eine Praxis dazu finden.«
Ruprecht blies auf seinen Becher; offenbar war ihm der Kaffee zu heiß. »Dann werden wir ihm das Feuerwerk widmen. Weißt du, wo die Knallfrösche her sind, Chefin?«
»Nein. Ich wußte nicht mal, daß es sie gibt.«
»Lagen hinten in der Ecke, hinter all den alten Karrenrädern und Deichseln und dem Joch.«
Endlich erschien auch Gudrun; sie gab Matzbach das Handy, mit einem etwas verqueren Lächeln.
»Also«, sagte sie, »die Tante lebt – eindeutig; das war ihre Stimme. Irgendwie habe ich den Eindruck, sie fände es nicht so gut, von mir Besuch zu kriegen. Ein Glück, daß ich das auch nicht vorhatte.«
»Hat sie was zum Fleißner-Balg gesagt?«
Gudrun zögerte. »War ein bißchen komisch«, sagte sie dann. »Als ich sie gefragt hab, war sie zuerst stumm. Baff, empört, was weiß ich. Dann hat sie mich angeschnauzt, was mich denn dieses Kind angeht, und ob man sich nicht in Ruhe aufs Altenteil zurückziehen kann, ohne mit alten Kamellen behelligt zu werden. Dann haben wir uns ziemlich kühl verabschiedet.«
Es war elf Uhr, als Yü, Matzbach und Ruprecht das Gehölz erreichten, in dem sich der Heppner-Schacht befand. Die DS war überfüllt; Stiele diverser Werkzeuge ragten aus den Fenstern. Baltasar suchte einen Parkplatz, der von der Straße aus nicht einzusehen war; dann packten sie die mitgebrachten Stricke, Schaufeln, Beile, Hacken und sonstigen Utensilien aus und wühlten sich durchs Gestrüpp.
»Könnte früher mal riskant gewesen sein«, sagte Ruprecht, als sie den Schachtdeckel gefunden hatten. »Ziemlich gründlich, was?«
Den Beschreibungen nach, die Baltasar von dem Heimatpfleger bei Wipperfürth bekommen hatte, war der Schacht ursprünglich mit einer Art Kragen aus Ziegeln versehen gewesen, der etwa zwei Meter über die umgebende Oberfläche ragte. Der Mann hatte ihm ein alte Skizze gezeigt, mit dem Mauerkranz und einem hohen Gerüst darüber, auf sechs Beinen. Dann, so hieß es, hatte man das Gerüst abgetragen, ebenso die Ummauerung, und über die Schachtmündung, deren Durchmesser nicht viel mehr als zwei Meter betrug, eine hölzerne Platte gelegt. Diese war durch äußere Einwirkung – »dumme Jungs müssen ja an allem rumrupfen« – verschoben und von Wind und Wetter morsch gemacht worden. Ende der 60er, hatte der Gewährsmann gesagt, war dann eine neue Ummauerung hochgezogen worden, und man hatte den Schacht mit einer
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