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Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)

Titel: Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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»können wir heute eigentlich nur noch ein bißchen trinken. Kennt jemand eine gute Horrorgeschichte? Mir ist nach blödeln.«

20. Kapitel
    Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, Der immerfort an schmalem Zeuge klebt, Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet.
    G OETHE
    Morgens führte Wayne ein längeres Gespräch mit dem drittnächsten Nachbarn, Bauer Heppner. Baltasar geleitete in dieser Zeit Gudrun in die »gute Stube« von Waynes Hof, wo sie mit Baltasars Handy ihre Mutter anrief und von dieser eine vielzahlige Nummer auf Mallorca erhielt.
    »Wetten«, sagte Matzbach, »daß sie aus unbekannten Gründen nicht zu finden ist?«
    »Mal sehen. Und wenn doch? Soll ich sie was fragen?«
    »Frag sie, ob sie weiß, was aus dem Fleißner-Kind geworden ist. Sag ihr, daß du sie besuchen willst. Egal. Wie gesagt, sie ist bestimmt nicht da.«
    Gudrun wählte. Nach einiger Zeit meldete sich jemand. Die junge Frau fragte nach ihrer Tante Gerda, wartete einen Moment, warf Baltasar einen entsagenden Blick zu und sagte:
    »Morgen, Tante Gerda; hier ist Gudrun. Wie geht es dir?«
    Matzbach kratzte sich den Kopf; dann hob er beide Arme bis in Schädelhöhe, ließ sie fallen und ging zurück in die Küche.
    »Du siehst unlustig aus«, sagte Wayne.
    »Bin ich. Mein schönes böses Theoriegebäude ist gerade zusammengekracht.« Er lächelte ein wenig mühsam. »Wissenschaft ist die Hinmetzelung einer hübschen Theorie durch ein scheußliches Faktum. Hat irgendwer mal gesagt.«
    »Darf man erfahren, wie die Theorie aussah?«
    »Wenn du’s zunächst mal für dich behältst …«
    »Was soll sie für sich behalten?« Yü erschien in der Küche, gründlich ausgeschlafen und frisch geduscht.
    »Den Zusammenbruch meiner Theorie.«
    »Ach, hattest du eine?« Yü klang ein bißchen höhnisch. »Gewöhnlich bemühst du dich doch gar nicht erst um so was Profanes, sondern vertraust einfach deiner Nase. Guten Morgen, edle Wirtsfrau, nebenbei und vor allem.«
    »Guten Morgen. Der Kaffee steht da, Brot ist neben dem Kühlschrank. Bist du selbständig?«
    »Sogar erwachsen genug, um kaputte Theorien zu bejubeln.«
    Matzbach betrachtete den über den Brotkasten gebeugten Yü; vom Rücken des Chinesen wandte er sich dem weit erfreulicheren Anblick von Waynes Gesicht zu.
    »Das war die Theorie, die sich eben aufgelöst hat: Die Damen und Herren von der Journaille, also Sager und Herms, inszenieren sensationelle Berichte über Pittrichs Wahlkampf – Abgeordneter beißt Wildschwein und dergleichen. Beide arbeiten frei, das heißt, sie können ihren Schmonzes meistbietend verkaufen. Da alles in der Sauregurken-Zeit stattfindet, sind alle denkbaren Abnehmer auch dankbare Abnehmer und zahlen gut. Außerdem wird Pittrich dadurch bekannt, wenn nicht populär. Um noch mehr Knete zu machen, klauen sie das Kind der Fleißners – hatte ich zuerst gedacht. Dann habe ich mir gesagt, daß die Fleißners so innig liebende Eltern sind, daß sie möglicherweise am Klauen beteiligt waren. Und am Umsatz. Vielleicht hatte das Kind eine Mißbildung, sagte ich mir, und deshalb haben sie es nicht geklaut, sondern lieber gleich umgebracht, und die ganze Entführungsgeschichte hat den doppelten Nutzen, das Portemonnaie aller an der Berichterstattung Beteiligten zu füllen und das Verschwinden eines ungewollten Kindes zu kaschieren.«
    Yü hatte sich inzwischen Kaffee eingegossen; mit dem Becher in der Hand drehte er sich zu Matzbach um und grinste breit.
    »Ei«, sagte er. »Und für all das gibt es weder einen Beweis, noch einen Hinweis, noch eine Spur, noch gar etwas, was man bei großem Wohlwollen als Indiz ansehen könnte. Hat nicht Meng-tse gesagt, daß jemand, der ein Loch gegraben hat und hineingefallen ist, nur dann behaupten soll, ein Drache habe ihm das Bein gebrochen, wenn es für beides keine Zeugen gibt?«
    »Der einzige Drache bist du.«
    Wayne hob die Hand. »Moment. Ich verstehe immer noch nicht, wieso die Theorie zusammengekracht ist. Nicht, daß ich sie für besonders überzeugend hielte.«
    »Es ist so«, sagte Baltasar verdrossen, »daß im wahrscheinlichsten der Fälle die Hebamme, die ja das Kind gesehen hat, zum Schweigen gebracht werden müßte. Damit sie, zum Beispiel, nicht erzählt, es hätte zwei Köpfe gehabt mit je einem Wolfsrachen, dafür aber nur ein Bein und keine Augen.«
    »Wohl wahr. Und?«
    »Man beseitigt sie und bringt das Gerücht in Umlauf, daß sie nach Mallorca abgereist ist.

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