Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
sie fort.
„Verzeihen Sie. Ich wollte keine schlimmen Erinnerungen wecken. Haben Sie andere Verwandte?“
„Nein. Niemanden. Also … Nein. Mama starb, als ich zehn war. Seitdem war ich mit meinem Papa allein. Und jetzt …“ Erneut drohten Tränen ihre Stimme zu ersticken. „Jetzt bin ich ganz allein.“
„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass eine junge Dame, die so schön ist wie Sie, niemanden auf der Welt hat, der sich um sie sorgt. Sind die Franzosen denn alle blind?“
„Vielleicht bin ich einfach zu wählerisch. Aber wir kommen vom Thema ab, Mr. Lytton.“
„Ja, Sie haben recht. Also zurück zu diesen Papieren. Wie lange ist es her, dass Ihr Vater sie dem meinen übergeben hat?“
„Er hat sie vor mehr als zwanzig Jahre hierher geschickt.“
„Und in all dieser Zeit hat weder Ihr Vater noch sonst jemand die Dokumente zurückverlangt?“
„Ich zum Beispiel wusste nicht einmal von ihrer Existenz!“
„Dann hat Ihr Vater auch diese Unterlagen zum ersten Mal auf dem Sterbebett erwähnt?“
„Es hört sich an wie ein Märchen, ich weiß. Trotzdem war es genau so.“
„Hm …“ Er hob die Augenbrauen.
„Es wundert mich nicht, dass Sie mir nicht glauben.“ Enttäuscht stand sie auf. Es war an der Zeit, sich zu verabschieden. Sie würde dem Anwalt in London eben ohne die verschollenen Papiere gegenübertreten müssen. Vielleicht ließ sich trotzdem alles zu ihrer Zufriedenheit regeln. „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mich angehört haben, Mr. Lytton. Doch nun möchte ich Sie nicht länger aufhalten.“
Nicholas zweifelte nicht daran, dass die Dokumente – sofern sie sich jemals in Knightswood Hall befunden hatten – längst verloren gegangen waren. Dennoch war er nicht bereit, seine schöne Besucherin einfach gehen zu lassen. Während der letzten Tage war er vor Langeweile beinahe umgekommen. Nun bot sich endlich eine Abwechslung, noch dazu eine so bezaubernde! Die junge Frau trat so selbstbewusst auf und sprach so kultiviert, dass man fast glauben konnte, sie gehöre zur besten Gesellschaft. Natürlich ließ er sich dadurch nicht täuschen. Keine junge Dame von guter Herkunft würde auch nur im Traum daran denken, ohne Begleitung einen Gentleman in seiner Wohnung aufzusuchen. Keine wohlerzogene junge Dame würde einem Boxkampf so fasziniert zuschauen. Trotzdem war diese Mademoiselle Cachet etwas Besonderes. Es würde sich lohnen, ihre Dankbarkeit zu erringen.
„Einen Moment noch, Mademoiselle. Lassen Sie mich überlegen. Den Namen Ihres Vaters – ich meine den richtigen Namen – habe ich schon irgendwo gehört. Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir berichten können? Jede Kleinigkeit mag hilfreich sein.“
Da er sie lediglich am Gehen hatte hindern wollen und nicht wirklich damit rechnete, dass sie ihm weitere Informationen geben könnte, war er erstaunt, als sie sagte: „ Allein nun blüht noch die letzte Rose des Sommers . Mit diesen Satz sollte ich Ihrem Vater gegenüber meine Identität beweisen.“
Er begann zu lachen.
Serena zuckte die Schultern. „Mir ist durchaus klar, dass sich das schon wieder wie ein Märchen anhört.“
„Allerdings. Es wäre natürlich auch möglich, dass es sich um einen Hinweis handelt.“ Das war als Scherz gemeint, denn noch immer schenkte er der Geschichte seiner Besucherin nicht den geringsten Glauben. Doch die Reaktion der jungen Frau machte ihn stutzig.
„Aber ja, natürlich“, rief sie aufgeregt. „Ein Hinweis auf das Versteck der Papiere! Wie klug Sie sind! Ich selbst wäre wohl kaum darauf gekommen.“
Eine Locke ihres goldblonden Haars hatte sich aus der Frisur gelöst und umspielte jetzt ihre Wange. Ihre blauen Augen glänzten wie Edelsteine. Ihr Lächeln war so offen und bezaubernd, dass Nicholas sie hingerissen anschauen musste. Ihm fiel ein, wie weich und süß ihre Lippen waren. Bei Jupiter, sie war wirklich einmalig. Genau die Richtige, um ihn von seiner Langweile zu erlösen.
„Ja“, stimmte er ihr kurz entschlossen zu, „ein Hinweis auf das Versteck, das mag sein. Dieses Haus stammt aus der Tudor-Zeit und ist daher voller Rosen. Sie haben vielleicht schon die Schnitzereien in der Holzvertäfelung bemerkt. Tiere, Pflanzen, Rosen … Und das nicht nur in diesem Raum. Vor langer Zeit hat man zudem die steinernen Kamineinfassungen mit Rosen verziert. Und wenn ich mich recht erinnere, besitze ich sogar ein paar alte Möbelstücke mit eingravierten Rosen.“
Sein Plan begann ihn zu begeistern. „Außerdem haben wir
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