Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
sie wusste nicht, was sie dem entgegensetzen sollte. Zornig, aber hilflos meinte sie schließlich: „Also gut. Ich hoffe, dass wir, da Sie jeden Winkel des Hauses kennen, nicht allzu lange werden suchen müssen.“
Zufrieden nickte er ihr zu. „Sollen wir gleich mit der Arbeit beginnen?“
Sie bemühte sich, ihren Verstand zu benutzen. Das war nicht leicht, denn noch immer herrschte in ihrem Inneren ein großes Durcheinander von Gefühlen. Sie war zum ersten Mal in ihrem Leben geküsst worden und hatte so heftig darauf reagiert, dass sie schockiert über ihren Mangel an Zurückhaltung war. Jetzt brauchte sie Zeit zum Nachdenken.
„Nein, Mr. Lytton, ich habe genug Aufregendes für einen Tag erlebt. Ich denke, ich werde zu meiner Unterkunft zurückkehren, mich ein wenig ausruhen und mich morgen wieder bei Ihnen melden. Sind Sie damit einverstanden?“
„Meine liebe Mademoiselle Cachet, es gibt kaum etwas, mit dem nicht einverstanden wäre, sofern es mir nur ermöglicht, Sie wiederzusehen. Bis morgen also!“
2. KAPITEL
Als Serena den Gasthof in dem kleinen Dorf High Knightswood betrat, in dem sie abgestiegen war, wartete Madame LeClerc dort ungeduldig auf sie.
Madame war eine Pariser Schneiderin, die seit Längerem darauf brannte, in London ihr Glück zu machen. Als sie zufällig erfuhr, dass Mademoiselle Cachet nach England gehen würde, hatte sie daher beschlossen, sich ihr anzuschließen.
„Meine Teure“, hatte sie gesagt, „Ihr Papa würde nicht wollen, dass Sie allein reisen. Zudem wird man Sie nur dann für eine echte Dame halten, wenn Sie eine Gesellschafterin haben. Ich bin bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. In London werde ich dann einen eigenen Salon gründen, damit die englischen Ladies, nun da der Krieg endlich vorbei ist, nicht länger auf modische Kleider verzichten müssen.“
Serena hatte das Angebot angenommen, weil sie wusste, dass es tatsächlich sehr unpassend gewesen wäre, sich allein auf den Weg zu machen. Doch inzwischen hatte sie feststellen müssen, dass die Gesellschaft der Schneiderin keine reine Freude war. Seufzend erinnerte sich Serena, dass sie sich darauf geeinigt hatten, dass sie für alle Kosten aufkam und ihrer Begleiterin zudem ein angemessenes Gehalt zahlte. Leider bedeutete das nicht, dass Madame sich ihr gegenüber wie eine Bedienstete verhielt.
Das größte Problem allerdings war, dass die Französin das Reisen nicht vertrug. Jede Kutschfahrt setzte ihrem Magen zu. Auf dem Schiff litt sie unter heftigen Attacken von Seekrankheit. Und wieder an Land gab es neue Klagen. Madame LeClerc schien chronisch unzufrieden zu sein. Keine Unterkunft fand Gnade vor ihren Augen. Die Laken waren feucht, das Personal war unhöflich, das Essen ungenießbar, das Wetter unerträglich.
Da die Schneiderin nur sehr wenig Englisch sprach, musste Serena ihr häufig als Dolmetscherin dienen und sich dabei die größte Mühe geben, böse Auseinandersetzungen zu verhindern. Jetzt, da sie ihre Begleiterin mit langem Gesicht und verkniffenem Mund in ihrem Zimmer vorfand, dachte sie mit Schrecken an eine besonders unangenehme Episode in einem Gasthof in Dover zurück. Genauso entrüstet und unzufrieden hatte die Französin dort dreingeschaut, ehe sie einen völlig unsinnigen Streit wegen eines angeblich nicht geleerten Nachttopfes begann. Trotzdem grüßte Serena höflich, bevor sie ihr Hütchen und den Umhang ablegte. Madame antwortete mit einem langen in französischer Sprache gehaltenen Monolog über die fehlenden Kochkünste der Wirtin. Ihr Jammern gipfelte in der Feststellung, sie würde noch verhungern, wenn man ihr immer nur Fleisch und nie eine gute Soße vorsetzte.
Diese Gefahr sah Serena keineswegs. Denn die Schneiderin war, um es freundlich auszudrücken, gut gepolstert.
„Sehen Sie sich nur all diese ungenießbaren Dinge an“, rief sie und zeigte anklagend auf ein paar Schüsseln, die auf dem Tisch standen. „Niemand kann ernsthaft annehmen, eine zivilisierte Dame würde so etwas essen!“
Ein Seufzen unterdrückend trat Serena zum Tisch und hob die Deckel. Die Küche des Knightswood Inn konnte tatsächlich gehobenen Ansprüchen nicht genügen. Doch damit musste man rechnen, wenn man die großen Städte verließ und nicht in den vom Adel bevorzugten teueren Gasthäusern abstieg. Daher hielt sich ihr Mitgefühl mit ihrer unleidlichen Begleiterin sehr in Grenzen. Schließlich befanden sie nicht in London oder Paris, sondern in der englischen Provinz.
„Es gibt Huhn mit
Weitere Kostenlose Bücher