Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
etwas richtigstellen. Selbst wenn ich Ihre Hilfe annähme – was ich bisher nicht getan habe –, so würde ich doch niemals in Betracht ziehen, Sie für Ihre Bemühungen mit einem Kuss zu belohnen.“
„Wirklich nicht? Dann war der Kuss nach dem Boxkampf also ganz untypisch für Sie?“ Er griff nach ihrem Arm und schloss geschickt den widerspenstigen Knopf.
Sie wollte sich ihm entziehen, doch er hielt sie einfach fest. Durch das dünne Leder des Handschuhs konnte sie die Wärme seiner Finger spüren. Diese waren lang, schmal und doch kräftig mit sorgfältig geschnittenen Fingernägeln. Die Knöchel allerdings waren infolge des Kampfes aufgeschürft und zum Teil mit Blut verkrustet. Die Berührung schien einen Stromstoß durch ihren Arm zu jagen. Gut, dass man die Gänsehaut unter den langen Ärmeln ihres Kleides nicht sehen konnte!
Serena wusste, dass sie etwas unternehmen musste. Doch in diesem Moment war sie unfähig, sich zu rühren. Ein wildes Durcheinander von Gefühlen erfüllte sie. Sie war vollkommen verwirrt, obwohl kein Zweifel an Lyttons Absichten bestehen konnte. Gewiss wollte er sie noch einmal küssen!
„Nein!“, stieß sie schließlich hervor. Ihre Stimme klang ihr selbst fremd in den Ohren. „Ich werde Ihnen nicht gestatten, sich irgendwelche Freiheiten herauszunehmen.“
„Sie lassen sich also lieber auf dem Hof vor den Ställen von einem Grobian küssen als von einem Gentleman in dessen Salon?“, neckte er sie. „Übrigens: Ich habe mir noch nie etwas genommen, was mir nicht freiwillig gegeben wurde. Daran werde ich mich auch jetzt halten. Das verspreche ich.“
„Dann lassen Sie mich endlich los!“
„Das werde ich tun, sobald Sie mich davon überzeugt haben, dass Sie es wirklich wünschen.“
Schon wieder sah er sie so an, als könne er ihr in die Seele schauen! Vermochte er wirklich ihre Gedanken zu lesen? Dann wusste er von dem Konflikt, der in ihrem Inneren tobte. Verflixt, warum nur wollte sie etwas, das sie nicht durfte?
Es ist doch nur ein Kuss, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.
„Es ist doch nur ein Kuss“, flüsterte Nicholas Lytton ihr zu. „Ein Kuss, um den Beginn unserer gemeinsamen Suche zu besiegeln.“
Sie öffnete den Mund, um Nein zu sagen, brachte jedoch keinen einzigen Laut hervor. Und Nicholas Lytton nahm ihre geöffneten Lippen als Einladung.
Es war eine sanfte vorsichtige Berührung. Zurückhaltend, fragend …
Einen Moment lang zögerte Serena.
Er verharrte reglos und gab ihr die Gelegenheit, sich zurückzuziehen.
Doch wie von selbst hoben sich ihre Hände, und Serena vergrub die Finger in Nicholas’ seidigem Haar. Ihre Lippen öffneten sich, wie Blüten sich der Sonne öffnen. Sie schmiegt sich an ihn, nahm seinen Duft, seinen Geschmack, seine Kraft in sich auf. Dies alles war so neu, so wunderbar, dass sie die Welt um sich herum vergaß.
Dann war es vorbei. Nicholas trat einen Schritt zurück. „Genug fürs Erste. Alles Weitere wäre eine Freiheit, die ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht herausnehmen sollte. Ich bin nämlich trotz meiner Vorliebe für unkonventionelle Boxkämpfe ein Gentleman. Es war mein Ernst, als ich sagte, ich würde mir nie etwas nehmen, das man mir nicht freiwillig anbietet.“
Ihre Lippen kribbelten so heftig, dass sie sie am liebsten mit den Händen bedeckt hätte. Stattdessen sagte sie nur: „Bisher habe ich keinem Ihrer Vorschläge zugestimmt.“
„Aber, aber, Mademoiselle! Sie wollen doch nicht wirklich ohne diese wertvollen Papiere abreisen! Wovor fürchten Sie sich? Misstrauen Sie sich womöglich selbst?“
Sie misstraute ihm und sich selbst gleichermaßen. Er war ein Raubtier, vor dem sie sich möglichst schnell in Sicherheit hätte bringen sollen. Doch das konnte sie natürlich nicht zugeben. „Sie überschätzen sich, Mr. Lytton. Selbstverständlich bin ich in der Lage, mich ihrem Charme zu entziehen.“
„Dann brauchen Sie nichts zu fürchten, wenn Sie sich von mir helfen lassen.“
Vielleicht hatte er recht. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung allerdings war etwas anderes: Ohne seine Hilfe würde sie vielleicht nie ihr rechtmäßiges Erbe antreten können. Der Anwalt, dessen Namen ihr Vater ihr genannt hatte, würde ihre Ansprüche ohne diese Papiere vermutlich nicht anerkennen.
„Versprechen Sie, sich mir gegenüber wie ein Gentleman zu verhalten?“, vergewisserte sie sich.
„Ich habe Ihnen bereits ein Versprechen gegeben. Für ein zweites besteht keine Notwendigkeit.“
Verflixt,
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