Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
er nicht auf mich warten soll.“
Nicholas goss sich ein Glas Port ein und ließ die dunkelrote Flüssigkeit im Glas kreisen. Er war erschöpft, doch noch würde er keinen Schlaf finden. Zu viel ging ihm im Kopf herum. War es falsch gewesen, sich auf den Boxkampf mit Samuel einzulassen? Seine Hände mit den geschwollenen, blutigen Knöcheln sahen gewiss nicht aus wie die eines Gentleman. Auch war ihm der Sieg diesmal nicht so leicht zugefallen wie früher. Lag es an seinem Alter? Vielleicht sollte er sich mit neunundzwanzig wirklich nicht mehr benehmen wie ein junger Draufgänger. Aber es entsprach seinem Charakter, sich jeder Herausforderung zu stellen.
Dabei gab es so viel Wichtiges zu tun. Insbesondere musste er dringend nach einer Lösung bezüglich seiner Zukunft suchen. Noch drei Monate bis zu seinem Geburtstag. Wenn er bis dahin keinen Weg gefunden hatte, die Klausel im Testament seines Vaters zu umgehen, würde seinem Cousin Jasper das gesamte Erbe mit Ausnahme des Landbesitzes zufallen.
Nicholas war immer ganz sicher gewesen, dass niemand ihm das, was er als sein Geburtsrecht betrachtete, würde streitig machen können. Nicht einmal sein Vater. Dieser hatte testamentarisch doch tatsächlich von seinem Sohn verlangt zu heiraten, ehe er dreißig wurde! Die Vorstellung, sich zu verehelichen, missfiel Nicholas außerordentlich. Also hatte er darauf vertraut, dass seinem Anwalt etwas einfallen würde, was eine Heirat unnötig machte.
Es war typisch für den Verstorbenen gewesen, stets ausgerechnet das zu fordern, was seinem Sohn am meisten widerstrebte. Dabei war der alte Herr in seiner Jugend selbst nicht gerade ein Verfechter der Ehe gewesen. Insbesondere nach dem Tod seiner ersten Frau hatte er ein wildes Leben geführt – bis er sich entschied, ein zweites Mal vor den Altar zu treten, diesmal mit einer Frau, die viele Jahre jünger war als er selbst. Erstaunlicherweise war Melissa durchaus zufrieden mit ihrem Schicksal gewesen. Sie hatte ihren Gatten hingebungsvoll gepflegt und ihn irgendwie dazu gebracht, das Eheleben als großes Glück zu betrachten. Ja, er hatte sich zu einem fanatischen Befürworter der Ehe und der ehelichen Treue entwickelt. Immer wieder hatte er seinem Sohn gesagt, ein Mann könne nur an der Seite einer Gattin glücklich werden.
Nicholas stieß einen Fluch aus. Schon damals hätte er erkennen müssen, dass seinem Vater jedes Mittel recht war, um seinen Willen durchzusetzen.
„Ich habe gehört, dass du schon wieder in einen Skandal verwickelt bist, Nicholas“, hatte der alte Herr kurz vor seinem Tod mit schwacher Stimme gesagt. Bei der Jagd hatte er sich eine Erkältung zugezogen, die zu einer Lungenentzündung und schließlich zu seinem Tod geführt hatte.
Auf welchen Skandal hat er sich eigentlich damals bezogen? überlegte Nicholas. Vermutlich ging es um die junge Halbweltschönheit, die er einer Wette wegen zu einem Ball mitgenommen und als Mitglied der guten Gesellschaft ausgegeben hatte. Leider hatte die vermeintliche Dame sich dazu hinreißen lassen, eine sehr schlüpfrige Geschichte zum Besten zu geben. Und dann war auch noch einer ihrer früheren Beschützer erschienen, der sie natürlich sogleich erkannt hatte.
Ein harmloser Scherz eigentlich. Und vor seiner Hochzeit mit Melissa hätte der alte Mr. Lytton herzhaft darüber gelacht. Inzwischen jedoch hatte er sich zu einem wichtigtuerischen Besserwisser und Moralapostel entwickelt. „Jetzt hast du unseren guten Namen einmal zu oft in den Schmutz gezogen“, hatte er geschimpft.
„Um Himmels willen, Vater, du redest ja, als hätte ich eine schwere Sünde begangen! Ich bin kein gewissenloser Schurke. Niemals würde ich eine Unschuldige verführen oder bei einer jungen Dame falsche Hoffnungen wecken.“
Dass Nicholas keine Reue zeigte, hatte den Zorn seines Vaters noch mehr angeheizt. Er hatte gebrüllt, getobt und schließlich gedroht, er würde dafür sorgen, dass Nicholas zur Vernunft käme. Sein lockeres Leben sei unerträglich.
Kurz darauf musste er sein Testament geändert haben, wie Nicholas klar wurde, als der Letzte Wille seines Vaters verlesen wurde.
Unwillkürlich seufzte er auf. Damals hatte er das alles nicht ernst genommen. Jetzt allerdings spitzte die Situation sich zu. Wenn ihm die Vorstellung zu heiraten doch nicht so zuwider gewesen wäre! Selbst als junger begeisterungsfähiger Mann hatte Nicholas sich nie ernsthaft verliebt. Er mochte Frauen und schätzte die Vergnügen, die sie einem Mann
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