Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
schenken konnten. Wenn seine Leidenschaft entflammte, war es ihm nie schwergefallen, seine Wünsche zu befriedigen, denn er war nicht nur attraktiv, sondern galt zudem als sehr großzügig.
Wie nicht anders zu erwarten, hatten nicht nur leichte Mädchen, sondern auch wohlerzogene junge Damen ihre Netze nach ihm ausgeworfen. Doch nie war es einer von ihnen gelungen, ihn in eine Situation zu bringen, die auch nur im Entferntesten als kompromittierend hätte gedeutet werden können. So hatte er sich seine Freiheit bewahrt.
Schaudernd dachte er an die arme Caroline Lamb, von der es hieß, sie habe sich an ihrem treulosen Geliebten Byron gerächt, indem sie einen Roman über seine Affäre mit ihr schrieb. So etwas würde ihm zum Glück nie passieren. Denn er wählte seine Mätressen sorgfältig aus. Sie waren ausnahmslos schön und vor allem erfahren genug, um die Spielregeln zu verstehen. Wenn er ihrer überdrüssig wurde, erhielten sie ein besonders wertvolles Geschenk. Sie jammerten nicht, sie schimpften nicht, sie litten nicht, sondern sie suchten sich einen anderen Beschützer – so wie er sich eine andere Gespielin suchte.
Dieses Leben gefiel ihm. Und er sah keinen Grund, es zu ändern. Abgesehen natürlich von dem Testament. Aber noch wollte er die Hoffnung nicht aufgeben, dass Frances Eldon einen Ausweg finden würde. Es blieben ihm ja noch drei Monate Zeit. Bis dahin, dachte Nicholas, kann ich mich guten Gewissens mit der schönen Französin beschäftigen, die sich eine so ungewöhnliche Geschichte ausgedacht hat, um mich kennenzulernen.
Eine ungewöhnliche und unglaubhafte Geschichte. Zwar ließ sich nicht ausschließen, dass sein Vater ihren Papa tatsächlich gekannt hatte. Als junger Mann war der verstorbene Nick Lytton ein rechter Abenteurer gewesen. Gut möglich, dass er Freundschaft mit jemandem geschlossen hatte, der (aus welchem Grund auch immer) England hatte verlassen müssen. Dieser im Exil lebende Freund hatte dann wohl irgendwann eine Tochter bekommen, die genau wie er selbst ein unkonventionelles Leben gewählt hatte.
Mademoiselle Cachet alias Miss Stamppe … Irgendetwas an diesem englischen Namen kam ihm bekannt vor. Nun, Frances Eldon würde ihm da gewiss weiterhelfen können. Gleich am nächsten Morgen wollte er ihm schreiben.
Er gähnte ausgiebig, schob den Ofenschirm vor den Kamin, damit keine Glut herausfallen konnte, löschte alle Kerzen bis auf eine und machte sich mit dieser auf den Weg zu seinem Schlafzimmer.
Als Serena erwachte, war sie sich ganz sicher, dass sie Madame LeClerc nicht mitnehmen wollte nach Knightswood Hall. Also kleidete sie sich rasch an und machte sich auf den Weg, noch ehe die Französin überhaupt zum Frühstück erschien. Sie hatte sich für ein einfaches Kleid aus bedrucktem Kattun entschieden, da sie annahm, sie würde sich bei der Suche nach den Papieren schmutzig machen. Vermutlich waren sie irgendwo versteckt, wo sich der Staub von Jahrzehnten angesammelt hatte. Außerdem trug sie feste Schuhe und einen kurzen wollenen Umhang, der sie vor dem kühlen Wind schützen sollte. Ihr Haar hatte sie zu einer einfachen, von einem blauen Bändchen zusammengehaltenen Frisur hochgebunden.
Sie sieht hinreißend aus, fand Nicholas, der mit seiner eng geschnittenen Wildlederhose, dem weißen Hemd und der dunkelblauen Weste selbst sehr attraktiv wirkte. Er umfasste die in Handschuhen steckenden Finger seiner Besucherin fest mit beiden Händen und hieß sie herzlich willkommen. Dann führte er sie in ein gemütliches Frühstückszimmer. Bei einer Kanne Tee wollte er gemeinsam mit ihr überlegen, wo sie mit der Suche beginnen sollten.
„Besitzen Sie womöglich noch andere Häuser, in denen es ebenfalls irgendwelche Rosen gibt?“, erkundigte Serena sich. Und als er den Kopf schüttelte, stellte sie erleichtert fest: „Dann können wir also davon ausgehen, dass die Papiere wirklich hier versteckt sind.“
Nicholas runzelte die Stirn. „Wenn es stimmt, dass diese Dokumente meinem Vater vor etwa zwanzig Jahren anvertraut wurden, dann müssten sie hier sein. Die Jagdhütte hat mein Vater erst später gekauft. Und in unserem Londoner Haus habe ich noch nie eine Rose gesehen, außer vielleicht in einer Vase.“
„Papa hat mir versichert, dass er die Unterlagen kurz nach meiner Geburt von Frankreich aus an Ihren Vater geschickt hat.“
„Wo genau haben Sie denn das Licht der Welt erblickt?“
„In einem kleinen Ort im Burgund. Meine Mutter stammte von
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