Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
der Tür stand und wie eine Wahnsinnige schrie. Er ging durch einen Kinnhaken – nennt man das so? – seines Gegners zu Boden.“
„Hm …“
Serena überlegte einen Moment, ehe sie fortfuhr. „Papa dachte, das sei das Ende des Kampfes. Er beugte sich zu seinem Freund hinab und half ihm beim Aufstehen. Doch plötzlich hielt der ein Messer in der Hand und stürzte sich auf den Bruder der Frau. Papa wollte seinen Augen nicht trauen, als sein Freund dem anderen die Klinge ins Herz stieß. Der Mann brach zusammen. Die Frau schrie noch immer.“
„War denn keiner der Nachbarn von dem Lärm herbeigelockt worden?“
„Anscheinend nicht. Jedenfalls konnten Papa und sein Freund das Dorf ungehindert verlassen. Natürlich waren sie in großer Sorge. Sie überlegten, was zu tun sei. Der Freund bat Papa um Hilfe. Zu der Zeit war mein Vater völlig ungebunden, während sein Freund in Kürze heiraten wollte. Also nahm Papa die Schuld auf sich, verließ England und wartete darauf, dass der andere die Sache in Ordnung bringen würde. Dann wollte er nach Hause zurückkehren.“
„Doch dazu kam es nicht“, stellte Nicholas fest. „Nun müssen Sie mir nur noch verraten, wer dieser Freund war.“
„Das kann ich nicht. Papa hat mir erklärt, er fühle sich nach wie vor an sein Versprechen gebunden, den Namen nicht preiszugeben. Er sagte, er habe mir die Geschichte nur erzählt, damit ich wisse, dass er unschuldig sei.“
„Wahrhaftig, Ihr Leben erinnert mich an einen Schauerroman! Kein Wunder, dass Byrons Gedichte Sie langweilen. Hat Ihr Vater Ihnen gegenüber denn nicht einmal eine Andeutung bezüglich der Identität des Mörders gemacht?“
„Nein.“
Er sah, dass sie blass geworden war. „Und das beunruhigt Sie?“
„Es gefällt mir nicht, dass man meinen Vater für einen Mörder hält, wenn er in Wirklichkeit unschuldig ist.“
„Ja, das verstehe ich. Vielleicht wäre es möglich, mithilfe der Frau die Wahrheit herauszufinden. Der Name ihre ermordeten Bruders müsste ja irgendwo festgehalten worden sein. Ich könnte Frances Eldon bitte, Nachforschungen anzustellen.“
Heftig schüttelte Serena den Kopf. „O nein! Ihr Mr. Eldon hat schon genug in meiner Familiengeschichte herumgeschnüffelt!“
Das Blut stieg Nicholas in die Wangen. „Ich habe diesen Vorwurf verdient, fürchte ich. Bitte, vergeben Sie mir!“ Er lenkte die Pferde zurück zum Ausgang des Parks und brachte den Phaeton wenig später vor dem Pulteney Hotel zum Stehen. „Kommen Sie heute Nachmittag zum Cavendish Square, Serena?“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Bitte, tun Sie Georgie und mir doch den Gefallen. Ich verlange nichts weiter von Ihnen, als dass Sie eine Tasse Tee mit uns trinken.“
Es wäre ungehobelt gewesen, rundweg abzulehnen. Also versprach Serena, die Einladung anzunehmen.
Jasper Lytton erwachte davon, dass jemand laut und ausdauernd an die Tür der Wohnung klopfte, die er in einem der vornehmen Viertel der Stadt gemietet hatte. Er legte eine Hand flach auf die schmerzende Stirn, hob vorsichtig die Lider und schaute aus blutunterlaufenen Augen zur Uhr hin. Viertel nach zwei, früher Nachmittag. Er konnte also nicht allzu lange geschlafen haben.
Das Klopfen hörte auf. Ob sein Diener Max die Tür trotz gegenteiliger Anweisungen geöffnet hatte? Tatsächlich, gleich darauf steckte der Bursche den Kopf ins Zimmer. „Sir, ein Gentleman fragt nach Ihnen.“
„Ich bin nicht daheim“, gab Jasper verärgert zurück.
„Es ist keiner Ihrer Gläubiger“, erläuterte der Max, „sondern ein richtiger Gentleman.“
„Ein Gentleman, der kommt, um Schulden einzutreiben“, erklang eine Stimme aus dem Flur. Dann wurde der Bedienstete zur Seite geschoben, und Hugo Langton trat ein.
„Langton! Was wollen Sie?“
„Wie ich schon sagte: Ich komme mein Geld holen.“ Da er nicht stotterte, hatte er vermutlich dem Alkohol schon reichlich zugesprochen. Tatsächlich wirkte er überraschend selbstbewusst und entschlossen. „Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Ihr Cousin beabsichtigt zu heiraten. Sie gehen dann bestimmt ins Schuldgefängnis. Ich aber will vorher mein Geld zurück!“
„Haben Sie diese Neuigkeit von Charles Avesbury? Er lügt.“
„Avesbury? Der ist mir seit Tagen nicht über den Weg gelaufen. Meine Schwester hat eine neue Schneiderin, eine Französin. Die hat erzählt, sie sei kürzlich noch in Knightswood gewesen. Dort hat sie angeblich mit eigenen Augen gesehen, dass Ihr Cousin geradezu verrückt nach
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