Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
geplant, dann nach Mile End hinauszufahren, um nach der Schwester des vor so vielen Jahren Getöteten zu suchen.
„Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen.“
„Bitte, setzen Sie sich!“ Sie selbst wählte einen Lehnstuhl in der Nähe des Kamins. Dann schaute sie erwartungsvoll zu Nicholas hin.
Er suchte nach den richtigen Worten, fand sie nicht und sagte daher abrupt: „Ich denke, wir sollten heiraten.“
Serena schwieg. Während ihr Herz wie wild schlug, versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. „Tatsächlich?“, stieß sie schließlich hervor. Gewiss würde er gleich die Worte sagen, die sie sehnlichst zu hören hoffte. Jene kostbaren Worte, die in ihrer Vorstellung untrennbar mit einem Heiratsantrag verbunden waren.
„Es wäre das Vernünftigste.“
Die Hoffnung verflog. Serena fröstelte, obwohl das kleine Feuer im Kamin eine angenehme Wärme ausstrahlte. „Das Vernünftigste? Warum?“
Nicholas musste seine wachsende Unruhe niederkämpfen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie fest er damit gerechnet hatte, dass Serena Ja sagen und sich ihm in die Arme werfen würde. „Es gibt mehrere gute Gründe dafür. Über einige haben wir bereits gesprochen. Einen allerdings habe ich Ihnen bisher verschwiegen.“
„Ja?“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer blitzte auf.
„Ich glaube, ich habe Ihnen gegenüber einmal erwähnt, dass der Letzte Wille meines Vaters für mich eine Überraschung darstellte.“ Er begann, in allen Einzelheiten zu erläutern, welche Klauseln das Testament enthielt.
Während sie zuhörte, war Serena blass geworden. Ich werde nicht weinen, sagte sie sich ein ums andere Mal. Dennoch drohte ihre Stimme zu brechen, als sie schließlich feststellte: „Sie wollen mich also heiraten, damit Sie nicht auf Ihr Erbe verzichten müssen.“
„Das auch. Aber was in der letzten Nacht geschehen ist …“
„Ich habe bereits darauf gewartet, dass Sie das ansprechen“, unterbrach Serena ihn. Ihre Hände waren eiskalt, und sie hatte das Gefühl, ein schweres Gewicht würde auf ihren Schultern lasten und sie umbarmherzig zu Boden drücken.
Nicholas spürte, wie Panik sich in ihm ausbreitete. Nie war ihm in den Sinn gekommen, der erste Heiratsantrag, zu dem er sich je durchgerungen hatte, könne zurückgewiesen werden.
Doch nun sah es ganz so als, als wolle Serena ihm einen Korb geben.
„Was letzte Nacht geschehen ist“, setzte er erneut an, „hat bewiesen, dass wir hervorragend zusammenpassen. Ich kann nur wiederholen, was ich schon einmal gesagt habe: Es ist etwas Besonderes.“
Sie zuckte die Schultern. „Da ich keine Vergleichsmöglichkeiten habe, muss ich Ihnen wohl glauben.“
„Denken Sie denn nicht, dass wir viel Spaß im Ehebett haben werden? Und nicht nur das. Wir verstehen uns auch sonst gut. Ich genieße Ihre Gesellschaft. Auch Sie sind gern mit mir zusammen, nicht wahr? Wenn unsere Leidenschaft sich also irgendwann abkühlen sollte, wird es immer noch genug geben, das uns verbindet.“
„Was erwarten Sie von mir, wenn die Zeit der Leidenschaft vorbei ist?“
„Ich verstehe nicht …“
„Soll ich das Leben einer Nonne führen, wenn Sie mein Bett nicht mehr teilen wollen? Oder genügt es Ihnen, wenn ich meine Bedürfnisse ebenso diskret befriedige wie Sie?“
„Was für eine alberne Frage!“, fuhr er auf. „Ich würde die Untreue meiner Gattin niemals tolerieren!“
„Sie sind also nicht besser als all diese anderen abscheulichen Heuchler! Der Mann hat alle Freiheiten, während die Frau keinerlei Rechte besitzt. Wahrhaftig, ich hatte Besseres von Ihnen erhofft!“
Er stieß einen Fluch aus. „Sie waren es doch, die erklärt hat, Ehe und Treue würden für Sie zusammengehören. Haben Sie plötzlich Ihre Meinung geändert?“
„Keineswegs. Allerdings habe ich immer die Treue beider Ehepartner gemeint. Im Übrigen ist eine Ehe ohne Liebe für mich unvorstellbar.“
„Ach, das ist es also! Ich biete Ihnen die Heirat an – etwas, woran ich nie zuvor auch nur gedacht habe. Ich bin ehrlich Ihnen gegenüber und erwähne, dass wir damit rechnen müssen, dass die Leidenschaft vergeht. Und Sie lohnen mir meine Ehrlichkeit mit Vorwürfen.“
„Welch ein Unsinn!“, brauste Serena auf. Doch dann holte sie tief Luft und sagte deutlich ruhiger: „Sie lieben mich nicht.“
Er antwortete nicht, sondern ging zum Fenster und starrte nach draußen.
Serena focht unterdessen einen schweren Kampf mit sich selbst aus. Die Versuchung, Nicholas’ Antrag anzunehmen, war groß. Nacht
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